„O Fürstin, Mutter!“ rief die Thränenvolle,
„Was wolltest du aus Zorn vernichtet sein!
Bin ich nun dein? Vor seinem Tode zwingt
Der deine mich zu bittrem Thränen-Zolle.“
Wenn Strahlen an des Schläfers Antlitz prallen,
Doch eh’ er ganz erstirbt, sich sträubt und ringt,
Als mir ein Licht ins Antlitz schlug, so klar,
Wie’s nie zur Erde strömt aus Himmelshallen.
Als eine Stimm’ erklang: „Hier müßt ihr steigen!“
Und ich vergaß des Andern ganz und gar.
Zu sehn, wer sprach, und ließ, bis ich belehrt,
Die Unruh’ nicht in meinem Innern schweigen.
Durch zu viel Licht ihr eignes Bild bedeckend,
Ward von dem Glanze meine Kraft verzehrt.
Der aufwärts führt, auch ohne daß wir flehn,
Und selber sich in seinem Licht versteckend.
Denn wer die Noth erblickt und harrt der Bitte,
Ist böslich schon geneigt, sie zu verschmähn.
Wir müssen aufwärts, eh’ das Dunkel naht,
Sonst sind gehemmt bis Morgens unsre Schritte.“
Wir, hingewandt nach einer Stiege, gingen,
Und wie ich auf die erste Stufe trat,
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_293.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)