Seite:Dante - Komödie - Streckfuß - 307.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

So liegen wir bis uns der Herr die Glieder
Einst wieder löst, hier unbeweglich fest.“

127
Antworten wollt’ ich ihm und kniete nieder,[1]

Doch da ich sprach, und er durch’s Ohr erkannt,
Daß Ehrfurcht mich gebeugt, begann er wieder:

130
„Was kniest du hier?“ Und ich drauf: „„Ich empfand[2]

Ob deiner Würde Vorwürf’ im Gewissen,
Daß ich vor dir noch grad’ und aufrecht stand.““

133
„Bruder, steh’ auf!“ – so Er – „du mußt ja wissen,

Dein Mitknecht bin ich nur von Eines Macht,
Dem du und ich und All’ uns beugen müssen.

136
Und hattest du des heil’gen Spruches Acht:[3]

Sie freien nicht, so wirst du dir erklären,
Was ich bei meiner Rede mir gedacht.

139
Jetzt geh. Dein Weilen hemmt den Lauf der Zähren,

Die früher mir – denk’ an dein eignes Wort –[4]
Das Morgenlicht des ew’gen Heils gewähren.

142
Alagia, eine Nichte, hab’ ich dort,[5]

Gut von Natur, reißt nicht zu schlechten Trieben
Sie der Verwandten übles Beispiel fort.

145
Und sie allein ist jenseits mir geblieben.“
_______________


  1. [127. Dante kniet. Dies zeigt seinen Respect für die Würde des Papstes an sich. S. f. Ges.]
  2. 130. Bemerkenswerth ist, daß hier, wo die ewige Ordnung herrscht, der büßende Papst sich vor anderen Büßern durch nichts unterscheidet. In der Hölle (Ges. 11 V. 8) finden wir für den Papst Anastasius ein großes Grab, und unter den Simonisten (Ges. 19) für die Päpste ein besonderes Loch. Auch vor der Pforte des Fegefeuers sahen wir noch die Großen der Erde von den Uebrigen gesondert. (Ges. 7 V. 91 ff.) [Vgl. Offenb. 22, 9.]
  3. 136. Christus, befragt, welchem von sieben Brüdern, die hinter einander eine Frau gehabt, ohne mit ihr Kinder zu erzeugen, diese Frau angehören werde? antwortete: „Wenn sie von den Todten auferstehen, so werden sie nicht freien, noch sich freien lassen.“ Hadrian bezieht dies auf seine Vermählte, die Kirche, die mit seinem Tode aufgehört habe, ihm ihre Würde zu leihen.
  4. 140. Denk’ an dein eignes Wort. Vgl. V. 91–93.
  5. 142. Alagia, Nichte Hadrians, wie Einige versichern, mit dem Marchese Marcello Malaspina vermählt.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_307.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)