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Auf solche Klage ziemt die Beichte sich.“

7
Die Stimme regte sich, doch in der Kehle

Erstarb das Wort; denn, statt gehoffter Huld.
Verwirrte finst’re Strenge meine Seele.

10
Nur wenig hatte sie mit mir Geduld:

„Was sinnst du? sprich! Noch tilgten nicht die Wogen
Der Lethe die Erinn’rung deiner Schuld.“

13
Furcht und Verwirrung, sich vermischend, zogen

Ein Ja aus meinem Mund, das zwar erblickt
Vom Auge ward, allein dem Ohr entzogen.

16
Gleichwie zu scharf gespannt die Armbrust knickt,

Und, wenn sich Sehn’ und Bogen überschlagen,
Den Pfeil mit mindrer Kraft zum Ziele schickt,

19
So brach, zu schwach, so schwere Last zu tragen,

Ich jetzt in Seufzer aus und Thränenflut,
Und ließ den Ton sich nicht ins Freie wagen.

22
Drum Sie zu mir: „In meiner Wünsche Glut,[1]

Die einst nach jenem Gut dich lehrte streben,
Das uns’rem Wunsch entrückt all’ andres Gut –

25
Was fandest du für Ketten, was für Gräben,

Die dich bewogen, mit verzagtem Sinn,
Des Weiterschreitens Hoffnung aufzugeben?


  1. 22. Meine Wünsche (i miei desiri), dies kann gleichmäßig bedeuten die Wünsche, die ich selbst in mir hegte und dir eingeflößt hatte – und der Wunsch, die Sehnsucht nach mir.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_375.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)