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Nicht wühlend blos in Blüten und in Blättern,
Die Rind’ auch brechend, die sein Mark umschloß;

115
Dann sah man ihn zum Wagen niederschmettern,

Der bei dem Stoße rechts und links sich bog,
Gleich einem Schiff im Kampf mit wilden Wettern.

118
Dann war ein Fuchs, der jähen Sprunges flog,

Ins Inn’re selbst des Wagens eingebrochen,
Wohin ihn Gier nach bessrer Speise zog.

121
Doch mit dem Vorwurf deß, was er verbrochen,

Trieb meine Herrin ihn so eilig fort,
Als laufen konnten seine magern Knochen.

124
Und nochmals stürzte von dem hohen Ort,

Wie schon vorhin, der Adler in den Wagen,[1]
Und ließ ihm viel von seinen Federn dort.

127
Und wie aus banger Brust der Laut der Klagen,

Klang aus dem Himmel eine Stimm’ und sprach:
„Mein Schifflein, schlechte Ladung mußt du tragen!“

130
Und unten, zwischen beiden Rädern, brach

Der Erde Grund, ausspeiend einen Drachen,[2]
Der durch den Wagen mit dem Schwanze stach.

133
Dann zog er ihn zurück, wie’s Wespen machen,

Nahm einen Theil des Bodens mit und schien,
Von dannen eilend, des Gewinns zu lachen.

136
Der Rest des Wagens blieb, doch sah man ihn

  1. [125. Nun erscheint noch einmal derselbe Adler der Kaisermacht, jetzt freundlicher Weise die rechte Ordnung verkehrend, wie vorher feindseliger Weise. Er läßt der Kirche „seine Federn“, zwar in guter Meinung gespendet V. 137, aber doch „eine schlechte Ladung“ für das Schiff Christi – womit in erster Linie die sog. „Constantinische“ Schenkung, Hölle 19, 115 und nächstdem alle die weltlichen Güter und Privilegien gemeint sind, welche allmälig, in „überwuchernder Fülle“ V. 138 ff., von Seiten der Kaiser, sowie anderer Fürsten den Päpsten überlassen wurden. (Vgl. auch Par. 20, 55 ff. über Konstantin.)]
  2. [131. Ob man unter dem Drachen Muhammed oder das Schisma der orientalischen und römischen Kirche im Jahr 1054 verstehen wolle, muß eine offene Frage bleiben, da die nähere Bezeichnung des Textes, daß derselbe „einen Theil des Bodens“ – aber nicht die Deichsel! – der Kirche mitgenommen habe, während der übrig bleibende Theil nachher eilig mit den „Federn des Adlers“, den weltlichen Schenkungen sich revanchirt habe, auf Beides paßt.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_387.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)