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Und fühlte, da mir Lust das Innre schwellte,

Was Glaukus fühlt’, als er das Kraut geschmeckt,[1]
Das ihn den Meeres-Göttern zugesellte.

70
Verzückung fühlt’ ich. Was sie sei, entdeckt

Die Sprache nicht, mag’s drum dies Beispiel lehren,
Wenn je in euch die Gnade sie erweckt!

73
Ob ich nur Seele war? – Du magst’s erklären,[2]

O Liebe, Himmelslenkerin, die mich
Mit ihrem Licht erhob zu jenen Sphären.

76
Als nun der Kreis, der durch dich ewiglich[3]

In Sehnsucht rollt, mein Aug’ an sich gezogen
Mit Harmonie’n, vertheilt, gemischt durch dich,

79
Durchflammte Sonnenglut des Himmels Bogen

So weit hin, wie von Strom- und Regenflut
Kein See noch je erstreckt die breiten Wogen.

82
Des Klanges Neuheit und die lichte Glut,

Sie machten, daß ich vor Begierde brannte,
Wie nimmer sie erweckt ein andres Gut;

85
Drob Sie, die mich, wie ich mich selbst, erkannte,

Mir zu befried’gen den erregten Geist,
Noch eh’ ich fragte, schon sich zu mir wandte,

88
Und sprach: „Ein Wahn ist schuld, daß du nicht weißt,

Was du sogleich erkennen wirst und sehen,
Sobald du dich von seinem Trug befreist.

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Du glaubst noch auf der Erde fest zu stehen,

Doch flieht kein Blitz aus seinem Vaterland
So schnell, wie du jetzt eilst, hinauf zu gehen.“

94
Kaum daß der erste Zweifel mir verschwand,

Durch’s kurze Wort und ihres Lächelns Frieden,
Als wieder schon ein neuer mich umwand.

97
„„Vom großen Staunen ruht’ ich schon zufrieden;

  1. 68. Glaukus, ein Fischer von Euböa, wurde durch den Genuß eines Krautes in einen Meergott verwandelt.
  2. [73. Vgl. wieder 2. Cor. 12, 2.]
  3. 76. Der Kreis etc. Der Himmel mit seinen Sternen, welche der Drang, sich mit Gott zu vereinigen, in ewige Bewegung setzt. Gott vertheilt und mischt die Harmonie der Sphären, indem er jeder einzelnen ihren Laut giebt, und alle durch Liebe zu Einklang und Wohllaut verbindet, worin alle Töne vermischt als einer erklingen. [Vgl. Vorbem. über das Empyreum.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_402.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)