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13
Nicht fühlt’ ich mich in diesen Stern entrücken,

Doch, daß ich wirklich drinnen sei, entschied
Der Herrin höh’res, schöneres Entzücken.

16
Und wie man Funken in der Flamme sieht,

Und wie wir Stimmen in der Stimm’ erkennen,
Die aushält, wenn die andre kommt und flieht;

19
So sah ich Lichter hier im Lichte brennen,

Und, nach dem Maß des ewigen Schaun’s erregt,
So schien’s, im Kreis mehr oder minder rennen.

22
Kein Wind unsichtbar, oder sichtbar, pflegt[1]

So schnell aus kalter Wolk’ herabzugleiten,
Daß er nicht langsam schien’ und schwer bewegt

25
Dem, der die Lichter uns entgegenschreiten

Im Flug gesehn, aus jenem Kreis hervor,
Den hohe Seraphim bewegend leiten.

28
Und hinter diesen ersten klang’s im Chor:

Hosianna! Und seit ich den Ton vernommen,
Sehnt stets nach ihm sich brünstig Herz und Ohr.

31
Und einen sah ich dann uns näher kommen,

Und er begann allein mit frohem Klang:
„Willfährig sind wir Alle, dir zu frommen.

34
Wir wandeln hin, ein Kreis, ein Schwung, ein Drang,

Uns nie vom Pfad der Himmelsfürsten trennend,
Zu welchem du gesagt in deinem Sang:

37
Die ihr den dritten Himmel lenkt, erkennend;[2]

Für dich wird uns nicht schwer ein Stillestand,
Für dich in so inbrünst’ger Liebe brennend.“[3]


  1. [22. Nach der Physik des Aristoteles entstehen Erbeben, Wind und Gewitter allesammt aus trockenen Dünsten, welche in der Erde das Erste, über der Erde das Zweite, in den Wolken das Dritte erregen. Der unsichtbare Wind ist also der Blitz.]
  2. 37. Die ihr den dritten Himmel lenkt, erkennend. Voi, che intentendo il terzo ciel movete – Anfang der ersten vom Dichter in Convito erläuterten Canzonen. Die Engel erkennen den Willen Gottes und leiten dadurch die Sterne mit ihren Einflüssen. Deshalb werden sie auch in der scholastischen Theologie Intelligenzen genannt. [Daher V. 27, vgl. auch Ges. 2, 127 ff.]
  3. [39. 46 ff. Die innige Nächstenliebe und Freude, Mit-Erlöste zu sehen, ist einer der schönsten Züge der in Gott vergnügten Seligen, welcher durch’s ganze Paradies geht.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_441.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)