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61
Von hohen Spiegeln, die ihr Throne heißt,[1][2]

Glänzt Gott, der Richtende, zu uns hernieder,
Drum sich uns solche Rede recht erweist.“

64
Sie sprach’s und wandte dann die lichten Glieder[3]

Zurück zu ihrem Kreis, wo sie verschwand,
Erfüllt die Seel’ von andern Dingen wieder.

67
Die andre Wonne, mir bereits bekannt,[4]

Sie ward vor mir zu höherm Glanz erhoben,
Wie in der Sonne Blitz der Diamant.

70
Durch Freudigkeit erwirbt man Glanz dort oben

Wie Lächeln hier; es hält bei innrer Pein
Das Dunkel drunten die Gestalt umwoben.[5]

73
„„Alles sieht Gott – du siehst in Seinen Schein,““

Sprach ich „„und kann in Ihn dein Auge dringen,
So muß dir klar sein ganzer Wille sein.

76
Drum deine Stimme, die im frommen Singen,[6]

  1. 61. Von hohen Spiegeln, von Engeln, über deren Hierarchie der Ges. 28 nähere Auskunft geben wird.
  2. [61–63. Der Leser bemerke diese Worte auch für künftig! Sie sollen die Berechtigung dieser und anderer zornerfüllter Strafreden im Munde von Seligen – und also auch im Munde Dante’s – darthun V. 63. Diese liegt darin, daß die Seligen im Spiegel der, den Engeln gegebenen Erkenntniß nunmehr die göttl. Gerechtigkeit völlig erkennen und daher der heil. Eifer gegen deren Verächter ihnen nicht benommen ist, 61, 62.]
  3. [64 ff. Die Seligen stellen sich in kreisenden Flammenringen dar, wie wir schon öfter hörten. Aus solchem ihrem „Kreis“ und zugleich „Kreisen“ herausgetreten, um stillestehend mit D. zu sprechen, kehrt nun Cunizza dahin zurück. Damit ist auch ihre Seele wieder den eben besprochenen irdischen Dingen abgewandt und mit Anderem, Himmlischem, erfüllt.]
  4. 67. Der Selige, von welchem Cunizza im V. 37 dieses Gesanges gesprochen hat.
  5. 72. Drunten in der Hölle. [Gegenüberstellung des Leibs der Seligen, der Lebenden, der Verdammten.]
  6. 76. Die Seligen singen gemeinschaftlich mit den Seraphinen (den Feuern, weil jener Name in der Ursprache dies bezeichnen soll). Jesaias, [450] Kap. 6, V. 2, sagt von ihnen: ein jeglicher hatte sechs Flügel: mit zween deckten sie ihr Antlitz, mit zween deckten sie ihre Füße, und mit zween flogen sie. – Man wird nicht umhin können, den Vorwurf, welchen der Dichter hier dem Folco über sein weniges Entgegenkommen und sein zu langes Säumen macht, etwas sonderbar zu finden, da, nach dem, was wir schon über den Zustand der Seligen erfahren haben, Folco, Gott schauend, nichts thun kann, was nicht dem höchsten Willen entsprechend wäre.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_449.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)