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25
Was wohl mein ob’ges Wort: Wo wohl gedeiht

Und dann: Kein Zweiter kam ihm gleich – bedeutet.[1]
Und hier ist nöthig scharfer Unterscheid.

28
Die ew’ge Vorsicht, die das Weltall leitet,

Mit jener Weisheit, die in Tiefen ruht,
Zu welchen kein erschaffnes Auge gleitet,

31
Damit sich dem Geliebten ihre Glut

– Die Glut der Braut, die er mit lautem Schreie[2]
Sich anvermählt hat durch sein heil’ges Blut –

34
Sich’rer in sich, und ihm getreuer, weihe,

Hat, ihr zur Gunst, zwei Fürsten ihr bestallt.
Und hier und dorten führen sie die Zweie.

37
Der Eine war von Seraphsglut umwallt,[3]

  1. 26. [Unter Anschluß an Ges. 10, 96 und 113 nimmt der Dichter hier Anlaß auf Leben und Stiftung der beiden Ordensfürsten (V. 35) des Mittelalters zu kommen, des h. Franz und Dominik. Er zeigt dabei eine ebenso geistvolle, kirchengeschichtliche Auffassung ihrer Stellung und Bedeutung, wie sie sein sollte – V. 28–36 – und seine Unterscheidung ihrer beiderseitigen characteristischen Eigenthümlichkeiten – V. 37–39 —, als eine tiefgehende, reformatorisch-ernste Würdigung ihrer Orden und deren gegenwärtiger Zustände. – Diese Erzählung und Darstellung umfaßt den vorliegenden und nächsten Gesang ganz und wird hier dem Thomas, dort dem Bonaventura in den Mund gelegt. Wenn dabei Dante die Rollen so vertauscht, daß der Dominikaner Thomas, ehe er zuletzt den Verfall seines eigenen Ordens geißelt (V. 120 ff.), zuvor das Leben des heil. Franziskus rühmt (V. 43) und Bonaventura den h. Dominik schildert, ehe er seinen Franziskanern die Meinung sagt – (Ges. 11) – so wird man in diesem feinen und edlen Zug leicht die Meinung des Dichters erkennen, welcher – angesichts der steten Eifersüchteleien zwischen beiden Orden – zum Frieden, zum einmüthigen Streben nach dem geistlichen Ziele mahnen will (V. 40 ff.). Nächst ihrer poetischen Schönheit müssen diese beiden gewaltigen Gesänge mit ihren beiden Strafreden gegen die mächtigsten Mönchsorden jener Zeit, nach Kühnheit und evangelischer Wahrheitstiefe zu den bedeutsamsten des ganzen Werks gezählt werden. Und man vergesse nie, daß Dante, einer der großartigsten und reinsten Charactere der Geschichte, auch der Mann war, hier und anderwärts (vgl. bes. Hölle 19; Par. 21, 127. 22, 76 ff. 29, 88 ff. 27, 19 ff.) so zu reden und insbesondere die Armuth selbst lebenslang zu seiner Braut erkoren hatte. – Vgl. auch Vorbem. S. 6 und zu Par. 9, 142.]
  2. 32. Die Glut der Braut, der Kirche, die Christus sterbend sich vermählt hat.
  3. 37. Von Seraphsglut, von den Flammen der himmlischen Liebe, [der Mystik, welcher Franz einzig huldigte.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_461.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)