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Wie auf Gewölk, das leicht das Blau umzieht,[1]

Man zwei gleichfarb’ge, gleichgespannte Bogen,
Wenn Juno ihrer Magd befiehlt, ersieht,

13
Erzeugt vom innern der, der ihn umzogen

– Der Rede Jener gleich, die Liebesglut,
Wie Sonnenglut die Dünste, aufgesogen –

16
Zwei Bogen, die nach allgemeiner Flut

Der Herr dem Noah zeigte, zum Beweise
Des Bunds, durch den die Erde sicher ruht:

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So drehte jetzt um uns sich gleicher Weise

Der ew’gen Rosen schöner Doppelkranz,
So glich der äußere dem innern Kreise.

22
Und als zuletzt der festlich frohe Tanz,

Die Lust des Sangs, der lichten Flammen Schweben,
Das Spiegeln Einer in der Andern Glanz,[2]

25
Still ward in einem Nu, mit gleichem Streben,

Wie sich die Augen, wenn es dem gefällt,
Der sie bewegt, verschließen und erheben:

28
Klang aus dem Kreis, von neuem Licht erhellt,

Ein Laut, nach dem ich mich so eilig kehrte,
Wie der Magnet nach seinem Sterne schnellt.

31
Er sprach: „Die Liebe, die mich schön verklärte,[3]

Ist’s, die vom zweiten Hort mich sprechen heißt,
Durch den man hier so hoch den meinen ehrte.


  1. 10–18. Diesen zweiten Kreis oder Kranz von Seligen vergleicht der Dichter dem Wiederscheine des Regenbogens, der einen zweiten, an Form und Farben gleichen, doch schwächer glänzenden Bogen bildet. Dieser zweite Bogen verhält sich zu dem ersten, wie Echo’s Nachhall zu dem Tone, den er wiederholt. – Die hier mehrfach in einander verschlungenen Bilder und Gleichnisse, den überfließenden Reichthum des Dichters an allen Mitteln der Darstellung beweisend, werden der Aufmerksamkeit des Lesers nicht entgehen. Daß Echo vor Liebe zu Narcissus verging, wird ebenso bekannt sein, als daß Iris – der Regenbogen – die Botin der Juno ist.
  2. 24. Das Spiegeln, s. Fegefeuer Ges. 15 V. 67–75. Ueberhaupt möge man hier die angezogene schöne Stelle des Fegefeuers sich tief einprägen, da sie über viele Stellen des Paradieses helles Licht verbreitet.
  3. 31. Der Sprechende ist, wie wir V. 127 erfahren, der Cardinal Buonaventura [1256–1274] General des Minoriten- oder Franziskaner-Ordens, [ein ebenso edler Charakter, als bedeutender Theolog. [468] Warum dieser nun das Leben des h. Dominik preist, wie vorher Thomas das des h. Franz, dies ist schon zu 11, 26 ff. auseinandergesetzt worden und wird sogleich hier in V. 34 ff. und 106 – 111 nochmals betont.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 467. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_467.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)