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Beschützt und wohlgedeckt vom großen Schilde,[1]
Auf dem der Leu obsiegt und unterliegt.

55
Dort ward erzeugt im glücklichen Gefilde[2]

Der glaubenstreue Buhle, der Athlet,
Dem Feind ein Graus, den Seinigen voll Milde.

58
Dem Geist, erschaffen kaum, ward zugeweht

Vom höchsten Geiste Kraft und hohe Gabe,
Und ungeboren war er schon Prophet.[3]

61
Als mit der Glaubenstreue drauf der Knabe[4]

Verlöbniß hielt, vom heil’gen Quell benetzt,
Wo gegenseit’ges Heil die Morgengabe,

64
Da ward die Zeugin, die sein Ja! ersetzt,

Schon von der Wunderfrucht, die ihm entsprieße,
Und seiner Schul’, im Traumgesicht ergötzt.

67
Und daß sich, was er war, erkennen ließe,[5]

Gebot ein Geist, vom Himmel hergesandt,
Daß man nach ihm, der ihn besaß, ihn hieße.

70
Dominikus ward er darum benannt,

  1. 53. 54. In dem Wappen der Könige von Kastilien war auf der einen Seite ein Löwe über und auf der andern ein Löwe unter einem festen Schlosse zu sehen.
  2. [55. Zu Callaroga (Callaruega) in Altkastilien, einer dem Meer übrigens keineswegs wirklich nahen Stadt, wurde Domingo Guzmann 1170 geboren, also 12 Jahre vor dem hl. Franz. Ein besonnener, innerlich glühender Mann von gelehrter Bildung hat er seinem, schon 1216 bestätigten, Orden das Ziel der Hebung des alleinseligmachenden Glaubens durch Predigt und Wissenschaft einerseits, Ketzerbekehrung und Inquisition (V. 57) andrerseits gestellt. Erst 1220 fügte er nach dem Vorbild seines großen Rivalen das Gelübde der Armuth bei. Er starb 1221. Die schwärmerische Gottinnigkeit, die legendenreiche Verherrlichung ist seinem Leben nicht eigen. Sein Orden stützte sich auf die höheren Stände, wie die Franziskaner auf das Volk. Aber durch Pflege der Wissenschaft und der Predigt ist er ruhmvoller und von bleibenderem Einfluß gewesen, als jener.]
  3. 60. Seine Mutter träumte vor ihrer Entbindung, daß sie einen weißen und schwarzen Hund, mit einer Fackel im Munde gebären würde. Dies wurde als Symbol der Tracht des Ordens und des Feuereifers des Stifters betrachtet.
  4. 61–66. Die Zeugin bei der Taufe des heil. Dominik träumte, daß er einen Stern an der Stirn und einen im Nacken habe, und damit das Morgen- und Abendland erleuchte.
  5. 67–69. Der Herr – dominus – besaß den Knaben, und ließ ihn deshalb dominicus, dem Herrn eigen, nennen.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_469.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)