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Vielleicht scheint sich zu kühn mein Wort zu schwingen,

Nachsetzend selbst der schönen Augen Paar,
Die jeden Wunsch in mir zur Ruhe bringen.

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Doch nimmt man die lebend’gen Stempel wahr,

Die höher immer Schöneres gestalten,
Und denkt, daß ich gewandt von jenen war,

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So wird man drob mich für entschuldigt halten,

Und sehn, daß ich vom Wahren nicht geirrt;
Doch durft’ auch hier die heil’ge Wonne walten,

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Die, wenn man aufsteigt, immer reiner wird.
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Fünfzehnter Gesang.
5) Im Mars. Fortsetzung. Cacciaguida’s Lobrede der guten alten Zeiten von Florenz.

1
Gewogner Will’, in welchem immer dir[1]

Sich offen wird die echte Liebe zeigen,
Wie böser Wille kund wird durch Begier,

4
Gebot der süßen Leier Stilleschweigen

Und hielt im Schwung der heil’gen Saiten ein,
Die Gottes Rechte sinken macht und steigen.

7
Wie sollten taub gerechter Bitte sein

Sie, die einhellig den Gesang itzt meiden,
Um Muth zur Bitte selbst mir zu verleihn!

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O, wohl verdienen ewiglich zu leiden

Die, weil die Lieb’ in ihrer Brust erwacht
Für Irdisches, sich jener Lieb’ entkleiden.


  1. XV. 1–9. [Nach Fgf. 17. 18. geht alles Wollen des Menschen von der „Liebe“ aus.] Die echte Liebe zeigt sich in dem Willen, Andern zu geben – die falsche in der Begier, zu empfangen. Aus jener Liebe schweigen jetzt die Seligen, um den Wünschen Dante’s zu genügen.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 484. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_484.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)