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Allein dich kennend, und, von dir erkannt,
Dir selber lächelnd und mit dir zufrieden,

127
Als zu dem Kreis, den ich in dir erfand

Wie wiederscheinend Licht, die Aug’ ich wandte,
Und ihn verfolgend mit den Blicken stand:

130
Da schien’s, gemalt in seiner Mitt’ erkannte,

Mit eigner Farb’, ich unser Ebenbild,
Drob ich nach ihm die Blicke gierig spannte.

133
Wie eifrig strebend, aber nie gestillt,

Der Geometer forscht, den Kreis zu messen,
Und nie den Grundsatz findet, welcher gilt;

136
So ich beim neuen Schau’n – ich wollt’ ermessen,

Wie sich das Bild dem Kreise ein’ und wie
Die Züge mit dem Licht zusammenflössen.

139
Doch dies erflog der eigne Fittich nie. –

Da ward mein Geist von einem Blitz durchdrungen,
Der, was die Seel’ ersehnt hatt’, ihr verlieh.

142
Hier war die Macht der Phantasie bezwungen,

Schon aber folgten Will’ und Wünschen gerne,
Gleichwie ein Rad, gleichmäßig umgeschwungen,[1]


  1. [144. Räder nennt D. oftmals die Sterne (28, 46 u. a. im Original) mit Rücksicht auf ihr Kreisen durch die ewige Liebe. Diese ist ja die, vom Primum mobile aus, alle Himmelskreise umschwingende Kraft V. 145, welcher nun auch Dante’s Geist freiwillig folgt, wodurch er in die Einheit mit der ganzen göttlichen Weltordnung zurückgekehrt ist; vgl. 1, 103 ff.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 619. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_619.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)