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130
Sieh nur, wie sie vor Grimm im Innern gähren,

Wie sie die Zähne fletschen und mit Drohn
Nach uns die tief gezognen Brauen kehren.““

133
Und er zu mir: „Nicht fürchte dich, mein Sohn,

Laß sie nur fletschen ganz nach Gutbedünken,
Sie thun dies nur zu der Verdammten Hohn.“

136
Sie schwenkten dann sich auf den Damm zur Linken,

Nachdem vorher die Zunge Jeder wies,
Hervorgestreckt, dem Hauptmann zuzuwinken,

139
Der mit dem hintern Mund zum Abmarsch blies.
_______________

Zweiundzwanzigster Gesang.
Fortsetzung. Die Teufelshetze.[1]

1
Oft sah ich Reiter aus dem Lager ziehn,

Die Mustrung rücken, in die Feinde brechen,
Auch wohl sich schwenken und zurückefliehn,

4
Von Streifpartei’n sah ich in euren Flächen,[2]

Ihr Aretiner, einst euch hart bedrohn;
Sah Festturnier’ und große Lanzenstechen;

7
Trommeten hört’ ich, Trommeln, Glockenton,

Sah Rauch und Feuer auch als Kriegeszeichen,
Und fremd’ und heimische Signale schon;

10
Doch nimmer hieß ein Tonwerkzeug, dergleichen

Ich hier gehört, das Volk zu Roß und Fuß,
Zu Land und Meer, noch vorgehn oder weichen.

13
Mit zehen Teufeln ging ich voll Verdruß,

Doch wußt’ ich, daß man Säufer in den Schenken,
Und Beter in den Kirchen suchen muß.

16
[123] Auch war zum Pfuhl gewandt mein ganzes Denken,

Um ganz des Orts Bewandtniß zu erspähn,
Und welche Leut’ in diese Glut versänken.

19
Wie die Delphine, die vor Sturmes-Wehn[3]

Mit den gebognen Rücken oft verkünden,
Zeit sei’s, sich mit den Schiffen vorzusehn;

22
So, um Erleichterung der Qual zu finden,

Taucht’ oft ein Sünder-Rücken auf und schwand
Im Peche dann so schnell, wie Blitze schwinden.

25
Und wie die Frösch’ an eines Grabens Rand

Mit Beinen, Bauch und Brust im Wasser stecken,
Die Schnauzen nur nach außen hingewandt;

28
So, sah man Jen’ hervor die Mäuler strecken,

Allein, wenn sie den Sträubebart erschaut,
Sich schleunig in dem heißen Pech verstecken.

31
Ich sah, und jetzt noch schaudert mir die Haut,

Nur Einen harren, wie, wenn all’ entsprangen.
Ein einz’ler Frosch noch aus dem Pfuhle schaut.

34
Kratzkralle, der am weitsten vorgegangen,

Schlug ihm den Haken ins bepichte Haar,
Und zog ihn auf, Fischottern gleich, gefangen.

37
Ich wußte schon, wie Jedes Name war

Seit ihrer Wahl, und daß mir nichts entfalle,[4]
Nahm ich der Namen dann im Sprechen wahr.

40
„Frisch, Grimmroth, mit den scharfen Klauen falle

Auf diesen Wicht und zieh ihm ab das Fell.“
So schrien zusammen die Verfluchten alle.

43
Und ich: „„Mein Meister, o erforsche schnell,

Wer hier in seiner Feinde Hand gerathe?
Wer ist wohl der unselige Gesell?““

46
Worauf mein Führer seiner Seite nahte,

Ihn fragend: wer er sei? wo sein Geschlecht?
„Ich bin gebürtig aus Navarra’s Staate.[5]


  1. XXII. [Mag man in der folgenden sog. „Teufelshetze“ eine besondere, mehr oder weniger sinnreiche Beziehung auf das zu bestrafende Laster der Bestechlichkeit finden oder nicht – s. Anm. zu Ges. 21, 1 Schluß, S. 117: so viel muß auch der Vereher des Dichters gestehen, daß sie unter diejenigen Stellen der Hölle gehört, in denen Dante über das Maaß der reinen Schönheit hinausgegangen ist.]
  2. [4. Wahrscheinlich auf einen Kriegszug der Florentiner gegen Arezzo 1228 zu beziehen.]
  3. [123] 19–30. Die Delphine verkündigen durch ihr Erscheinen auf der Oberfläche des Meeres den nahenden Sturm. Man wird übrigens nicht übersehen, wie trefflich der Dichter durch die beiden Gleichnisse das, was er darstellen will, anschaulich macht.
  4. [38. Seit ihrer Auswahl – die in Ges. 21, V. 118 ff erzählt ist.]
  5. 48. Der hier sprechende Verdammte soll Giampolo heißen, welcher [124] seine Verhältnisse in den nächsten Versen selbst hinreichend kund thut. Die Ausleger wissen nichts Näheres über ihn anzugeben. [Unter dem König ist wohl Thibaut II. von Navarra gemeint.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 122 bzw. 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_122123.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)