Seite:Dante Prosa 012.gif

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Güte die höchste Vollkommenheit erreiche. Nach der Absicht Gottes soll aber alles Erschaffene sich als gottähnlich darstellen, soweit dies seiner Natur nach geschehen kann. Deswegen heißt es: Laßt uns einen Menschen machen, ein Bild, das uns ähnlich sei. Wenn nun gleich der Ausdruck Bild nicht auf die dem Range nach unter dem Menschen stehenden Dinge angewandt werden kann, so läßt sich doch die Aehnlichkeit von jedem Dinge behaupten, da das ganze All nichts anders ist als ein Abdruck der göttlichen Güte. Demnach befindet sich das menschliche Geschlecht wohl und am besten, wenn es sich soviel möglich Gott ähnlich macht. Dies geschieht aber, wenn es möglichst Eins ist. Denn wahr ist das Verhältniß des Einen im Ganzen, weshalb es heißt: Höre, Israel, der Herr, dein Gott, ist ein einiger Gott. Aber die Menschheit ist dann am meisten Eins, wenn das ganze in Eins sich vereinigt, was nur dann stattfinden kann, wenn es sich Einem Fürsten gänzlich unterwirft, wie sich von selbst versteht. Also macht sich die Menschheit auf diese Art Gott am meisten ähnlich und verhält sich am meisten nach seiner Absicht, das heißt, gut und am besten: wie im Anfang dieses Abschnittes dargethan ist.

Desgleichen verhält sich jeder Sohn wohl und am besten, wenn er der Spur des vollkommnen Vaters, soweit es seine eigene Natur erlaubt, nachfolgt. Das Menschengeschlecht ist des Himmels Sohn, welcher in allen seinen Werken höchst vollkommen ist. Denn der Mensch und die Sonne zeugen den Menschen, laut des zweiten Buches über den natürlichen Vortrag. Also befindet sich die Menschheit am besten, wenn sie den Spuren des Himmels, soweit es ihre eigenthümliche Natur erlaubt, nachfolgt. Und wenn der ganze Himmel durch eine einzige Bewegung, nämlich der ersten Bewegkraft, und durch den einzigen Beweger, welcher Gott ist, geleitet wird in allen seinen Theilen, Bewegungen und Bewegern, wie die menschliche Vernunft durch philosophische

Empfohlene Zitierweise:
Dante Alighieri: Dante Alighieri’s prosaische Schriften II. F. A. Brockhaus, Leipzig 1845, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_Prosa_012.gif&oldid=- (Version vom 9.2.2024)