Seite:Dante Prosa 109.gif

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Warum sie aber von Anfang sich dreifach verändert habe, laßt uns untersuchen, und warum jede von diesen Veränderungen sich in sich selbst verändert, ich meine die Sprache des rechten Italiens von der des linken abweicht; denn anders sprechen die Paduaner und anders die Pisaner, und warum die näher bei einander wohnenden dennoch in der Rede abweichen wie die Mailänder und Veroneser, die Römer und Florentiner, ja Diejenigen, welche in demselben Namen des Geschlechts übereinkommen, wie die Neapolitaner und Gaetaner, die Ravenaten und Faenzer, und, was noch wunderbarer ist, Diejenigen, welche in derselben Stadt wohnen, zum Beispiel die Bolognesen der Burg von S. Felice und die Bolognesen der Strada maggiore. Alle diese Verschiedenheiten und Abweichungen im Sprechen, welche geschehen, werden sich auf eine und dieselbe Weise erklären. Wir sagen daher, daß keine Wirkung ihre Ursache übertrifft, soweit sie Wirkung ist, weil nichts bewirken kann, was es nicht ist. Da also unsre ganze Sprache (mit Ausnahme derjenigen, welche uns zuerst von Gott anerschaffen wurde) von unserm Gutdünken hergestellt ist nach jener Verwirrung, welche nichts Anderes war als ein Vergessen der ersten, und der Mensch das unbeständigste und veränderlichste Geschöpf ist, so kann sie weder dauerhaft noch fortbestehend sein, sondern muß, wie alles Andre, was uns gehört, nämlich Sitten und Gewohnheiten, nach Entfernung von Orten und Zeiten sich verändern. Und ich glaube, daß nicht zu zweifeln sei an der Weise der Zeiten hinsichtlich Dessen, was wir gesagt haben, sondern wir glauben, daß es festzuhalten sei; denn, wenn wir unsre andern Werke untersuchen, so scheinen diese viel mehr von unsern ältesten Mitbürgern abzuweichen als von den weitentfernten Zeitgenossen. Deswegen behaupten wir kühnlich, daß, wenn die ältesten Paduaner jetzt auferständen, so würden sie in einer veränderten und von den neueren Paduanern verschiedenen

Empfohlene Zitierweise:
Dante Alighieri: Dante Alighieri’s prosaische Schriften II. F. A. Brockhaus, Leipzig 1845, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_Prosa_109.gif&oldid=- (Version vom 31.7.2018)