Seite:Dante Prosa 170.gif

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die Liebe zu dieser sich unwiderstehlich seiner bemächtigt, alle andern Gedanken in ihm verdrängt und ihn durchaus umgewandelt. Eine, diese Gefühle weiter ausführende Kanzone scheint dem Briefe beigelegt zu sein, und man darf nicht fürchten fehlzugreifen, wenn man sie in der mit den Worten: „Amor dacchè convien pur ch'io mi doglia“ beginnenden (in der Ausgabe von Kannegießer S. 164) wiedererkennt, welche mit dieser prosaischen Schilderung auf das entschiedenste übereinstimmt usw. usw.“ Hier mag auch noch der Anfang des Briefes des Herrn Dr. Heyse zu Rom an Herrn Professor Witte vom 21. Nov. 1840 stehen, den Letzterer in der vorher angeführten Uebersetzung und Erklärung der lyrischen Gedichte Dante’s mittheilt: „Der Brief an Marcello Malaspina ist gewiß ein schöner Fund und macht mir besondere Freude. Ein Herzensgeständniß an einen vertrauten Freund, aber ein Geständniß im Styl Dante’s. Was gewöhnliche Seelen nur wie vorüberstreifend berühren würde, faßt und erfüllt hier den ganzen Menschen, verschlingt für den Augenblick alle seine Kräfte. Und wie er es empfangen, wirft der Spiegel seines Geistes das Erlebniß in zauberhaft großen Formen, ja mit Blitz und Flammen zurück. Er kann nicht erzählen, er kann nur dichten; unwillkürlich wird ihm die Bekanntschaft zur Erscheinung. Aber je poetischer und sublimer sein Bericht, desto wirklicher mußte der Anlaß sein, und thöricht wär’s, obwol ganz im Sinne der italienischen Ausleger, auch hier eine ich weiß nicht welche, Allegorie vorauszusetzen. Dante war nicht der Mann, sich erst aus dem Stegereife in ein Gespenst seiner Phantasie zu verlieben, und hernach noch einen guten Freund zu mystificiren, dem er eine Zahl Gedichte als lebendige Zeugen seiner Leidenschaft sendet. Daß von Beatrice hier nicht die Rede sein kann, und daß jene Gedichte, welche den Brief begleiteten, nicht etwa Theile der göttlichen Komödie waren, versteht sich wohl. – Wir dürfen nicht zweifeln:

Empfohlene Zitierweise:
Dante Alighieri: Dante Alighieri’s prosaische Schriften II. F. A. Brockhaus, Leipzig 1845, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_Prosa_170.gif&oldid=- (Version vom 7.5.2020)