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den männlichen See-Bär von Steller selbst eine noch grössere Zahl von Weibchen. Es ist eine interessante Thatsache, dass, wie Dr. Gill bemerkt,[1] bei den monogamen Arten „oder denen, welche in kleinen Gesellschaften leben, nur wenig Unterschied in der Grösse zwischen den Männchen und Weibchen besteht; bei den socialen Arten oder vielmehr bei solchen, bei denen die Männchen sich Harems halten, sind die Männchen ungeheuer viel grösser als die Weibchen“.

Was die Vögel betrifft, so sind viele Species, in denen die Geschlechter bedeutend von einander abweichen, sicher monogam. In Grossbritannien sehen wir z. B. gut ausgesprochene Verschiedenheiten bei der wilden Ente, welche mit einem einzigen Weibchen sich paart, bei der gemeinen Amsel und beim Gimpel, von dem man sagt, dass er sich für’s Leben paart. Dasselbe gilt, wie Mr. Wallace mitgetheilt hat, für die Cotingiden von Südamerica und für viele andere Vögel. In mehreren Gruppen bin ich nicht im Stande gewesen, ausfindig zu machen, ob die Species polygam oder monogam leben. Lesson sagt, dass die Paradiesvögel, welche wegen ihrer geschlechtlichen Verschiedenheiten so merkwürdig sind, polygam leben; Mr. Wallace zweifelt aber, ob er für diesen Ausspruch hinreichende Belege gehabt hat. Mr. Salvin theilt mir mit, er werde zu der Annahme veranlasst, dass die Colibri’s polygam leben. Der männliche Wittwenvogel (Vidua), welcher wegen seiner Schwanzfedern so merkwürdig ist, scheint sicher ein Polygamist zu sein.[2] Mr. Jenner Weir und Andere haben mir versichert, dass nicht selten drei Staare ein und dasselbe Nest frequentiren; ob dies aber ein Fall von Polygamie oder Polyandrie ist, ist nicht ermittelt worden.

Die hühnerartigen Vögel bieten fast ebenso scharf markirte geschlechtliche Verschiedenheiten dar wie die Paradiesvögel und Colibri's, und viele ihrer Arten sind bekanntlich polygam; andere dagegen leben in stricter Monogamie. Welchen Contrast bieten die beiden Geschlechter des polygamen Pfauen oder Fasans und des monogamen Perlhuhns oder Rebhuhns dar! Es liessen sich viele ähnliche Fälle noch anführen,


  1. The Eared Seals, in: American Naturalist, Vol. IV. Jan. 1871,
  2. The Ibis. Vol. III. 1861, p. 133, über den Progne-Wittwenvogel. s. auch über Vidua axillaris ebenda. Vol. II. 1860, p. 211. Ueber die Polygamie des Auerhahns und der grossen Trappe s. L. Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 19 und 182. Montagu und Selby sprechen vom Birkhuhne als einem polygamen, vom Schneehuhne als einem monogamen Vogel.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/301&oldid=- (Version vom 31.7.2018)