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Er hat sich weiter verbreitet als irgend eine andere hoch organisirte Form und alle andern sind vor ihm zurückgewichen. Offenbar verdankt er diese unendliche Ueberlegenheit seinen intellectuellen Fähigkeiten, seinen socialen Gewohnheiten, welche ihn dazu führten, seine Genossen zu unterstützen und zu vertheidigen, und seiner körperlichen Bildung. Die äusserst hohe Bedeutung dieser Charactere ist durch die endgültige Entscheidung des Kampfes um’s Dasein bewiesen worden. Durch seine intellectuellen Kräfte ist die articulirte Sprache entwickelt worden, und von dieser haben seine wundervollen Fortschritte im Wesentlichen abgehangen. Wie Mr. Chauncey Wright bemerkt:[1] „eine psychologische Analyse des Vermögens der Sprache zeigt, dass selbst der geringste Fortschritt dabei mehr Gehirnkraft erfordern dürfte, als der grösste Fortschritt in irgend einer andern Richtung“. Er hat verschiedene Waffen, Werkzeuge, Fallen u. s. w. erfunden und ist fähig, sie zu gebrauchen; und damit vertheidigt er sich, tödtet oder fängt er seine Beute und vermag sich auf andere Weise Nahrung zu verschaffen. Er hat Flösse oder Boote gemacht, auf denen er fischen oder zu benachbarten fruchtbaren Inseln übersetzen kann. Er hat die Kunst, Feuer zu machen, entdeckt, durch welches harte, holzige Wurzeln verdaulich und giftige Wurzeln oder Kräuter unschädlich gemacht werden können. Die Entdeckung des Feuers, wahrscheinlich die grösste mit Ausnahme der Sprache, die je vom Menschen gemacht worden ist, rührt aus der Zeit vor dem Dämmern der Geschichte her. Diese verschiedenen Erfindungen, durch welche der Mensch im rohesten Zustand ein solches Uebergewicht erhalten hat, sind das directe Resultat der Entwickelung seiner Beobachtungskräfte, seines Gedächtnisses, seiner Neugierde, Einbildungskraft und seines Verstandes. Ich kann daher nicht verstehen, wie Mr. Wallace behaupten kann,[2] dass „natürliche Zuchtwahl den


  1. Limits of Natural Selection; in: North American Review, Oct. 1870, p. 295.
  2. Quarterly Review. April, 1869, p. 392. Es ist dieser Gegenstand in Mr. Wallace’s Contributions to the Theory of Natural Selection, 1870, in welchem alle hier angezogenen Aufsätze wieder veröffentlicht sind, ausführlicher erörtert worden. Der „Essay on Man“ ist sehr gut kritisirt worden von Prof. Claparède, einem der ausgezeichnetsten [jetzt leider verstorbenen] Zoologen in Europa, in einem Artikel der Bibliothèque Universelle, Juni 1870. Die oben im Texte citirte Bemerkung wird Jeden überraschen, welcher Wallace’s berühmten Aufsatz: On the Origin of Human Races deduced from the theory of Natural Selection gelesen hat, ursprünglich publicirt in der Anthropological Review, May, 1864, p. CLVIII. Ich kann mir nicht versagen, hier eine äusserst treffende Bemerkung Sir J. Lubbock’s
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/76&oldid=- (Version vom 31.7.2018)