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Belege dafür, dass dies eine Folge der directen Einwirkung des Clima’s, oder dass es das Resultat einer correlativen Entwickelung sei.

Das Fehlen von Haar am Körper ist in einem gewissen Grade ein secundärer Sexualcharacter, denn in allen Theilen der Welt sind die Frauen weniger behaart als die Männer. Wir können daher vernünftigerweise vermuthen, dass dies ein Character ist, welcher durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden ist. Wir wissen, dass die Gesichter mehrerer Species von Affen und grosse Flächen am hinteren Ende des Körpers bei anderen Species von Haaren entblösst worden sind; und dies können wir getrost geschlechtlicher Zuchtwahl zuschreiben, denn diese Flächen sind nicht bloss lebhaft gefärbt, sondern zuweilen, z. B. beim männlichen Mandrill und beim weiblichen Rhesus, in dem einen Geschlechte viel lebhafter als in dem anderen, besonders zur Brunstzeit. In dem Maasse als die Thiere allmählich das geschlechtsreife Alter erreichen, werden auch die nackten Flächen, wie mir Mr. Bartlett mitgetheilt hat, im Verhältniss zur Grösse des ganzen Körpers grösser. Das Haar scheint indessen in diesen Fällen nicht zum Zwecke der Entblössung entfernt worden zu sein, sondern damit die Farbe der Haut vollständig entfaltet werden könnte. So scheint auch ferner bei vielen Vögeln der Kopf und Hals der Federn durch geschlechtliche Zuchtwahl entkleidet worden zu sein, damit die hell gefärbte Haut besser zur Erscheinung komme.

Da die Frau einen weniger behaarten Körper hat als der Mann, und da dieser Character allen Rassen gemeinschaftlich zukommt, so können wir schliessen, dass unsere weiblichen halbmenschlichen Urerzeuger wahrscheinlich zuerst theilweise des Haares entkleidet wurden und dass dies zu einer äusserst entfernt zurückliegenden Zeit eintrat, ehe noch die verschiedenen Rassen von einer gemeinsamen Stammform sich abgezweigt hatten. Wie unsere weiblichen Urerzeuger allmählich diesen neuen Character der Nacktheit erlangt haben, müssen sie denselben in einem beinahe gleichen Grade ihren Nachkommen beiderlei Geschlechts während ihrer Kindheit überliefert haben, so dass seine Ueberlieferung, wie es mit den Ornamenten vieler Säugethiere und Vögel der Fall ist, weder durch Alter noch Geschlecht beschränkt worden ist. Darin, dass ein theilweiser Verlust des Haares von den affenähnlichen Urerzeugern des Menschen für ornamental gehalten worden ist, liegt nichts Ueberraschendes, denn wir haben gesehen, dass bei Thieren aller Arten unzählige fremdartige Charactere in dieser

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/369&oldid=- (Version vom 31.7.2018)