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allerdings von Belang sein, wenn wir die obigen Ähnlichkeiten unabhängig von natürlicher Zuchtwahl durch bloße fluctuirende Abänderung zu erklären versuchen wollten; wie aber die Sache wirklich steht, ist er von keinem Belang.

Ich kann auch nicht sehen, daß Mr. Mivart’s Schwierigkeit in Bezug auf „die letzten Züge der Vollkommenheit bei der Mimicrie“ Gewicht beizulegen wäre; wie z. B. in dem von Mr. Wallace angeführten Falle eines Spazierstock-Insects (Ceroxylus laceratus), welches „einem mit kriechendem Moos oder Jungermannien überwachsenen Stabe“ gleicht. Diese Ähnlichkeit war so groß, daß ein eingeborener Dyak behauptete, die blättrigen Auswüchse wären wirklich Moos. Insecten wird von Vögeln und andern Feinden nachgestellt, deren Gesicht wahrscheinlich schärfer als unseres ist, und jede Abstufung der Ähnlichkeit, welche das Insect darin unterstützt, der Betrachtung oder Entdeckung zu entgehen, wird seine Erhaltung zu fördern dienen, und je vollkommener die Ähnlichkeit ist, um so besser ist es für das Insect. Betrachtet man die Natur der Verschiedenheiten zwischen den Species der Gruppe, welche den obigen Ceroxylus einschließt, so findet man nichts Unwahrscheinliches darin, daß dies Insect in den Unregelmäßigkeiten an seiner Oberfläche abgeändert hat und daß diese mehr oder weniger grün gefärbt wurden; denn in einer jeden Gruppe sind diejenigen Charactere, welche in den verschiedenen Species verschieden sind, am meisten zum Abändern geneigt, während die generischen Charactere, oder diejenigen, welche sämmtlichen Arten gemeinsam zukommen, die constantesten sind.

Der Grönland-Wal ist eines der wunderbarsten Thiere auf der Welt, und die Barten oder das Fischbein stellen eine seiner größten Eigenthümlichkeiten dar. Das Fischbein besteht aus einer auf jeder Seite des Oberkiefers befindlichen Reihe von ungefähr dreihundert Platten oder Barten, welche quer zu der Längsachse des Mundes dicht hintereinander stehen. Innerhalb der Hauptreihe liegen einige secundäre Reihen. Die unteren Enden und die inneren Ränder sämmtlicher Barten sind in steife Borsten aufgelöst, welche den ganzen riesigen Gaumen bedecken und dazu dienen, das Wasser zu seihen oder zu filtriren um dadurch die kleinen Beutethierchen zu fangen, von denen das große Thier lebt. Die mittelste und längste Lamelle oder Barte ist beim Grönland-Wal zehn, zwölf oder selbst fünfzehn Fuß lang. Bei

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/267&oldid=- (Version vom 31.7.2018)