Seite:Das Ausland (1828) 021.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828


Garamanten gegen die oberen Aethiopier gezogen. Marinus von Tyrus, oder vielmehr Ptolemäus hat uns nicht erzählt, ob die Barbaren die garamantische Armee, wie die Fellâtas die Truppen von Bornu, Mandara und Tripoli in die Flucht schlugen, und ob Maternus eben so mißhandelt wurde, wie der unerschrockene Denham. Wie dem auch seyn mag, es wäre schwer, sich die überraschende Aehnlichkeit aller dieser Umstände, der Oertlichkeiten, der Menschen, der Zahl der Tagreisen, der Richtung der Wege abzuleugnen: derselbe Punct der Abreise, dieselbe Entfernung, dieselbe Richtung, natürlich also auch dasselbe Ziel der Reise! Sollte nicht hieraus die Folgerung sich ergeben, daß der Weg vom Mittelmeer südlich bis zum 10° nördl. Breite im höchsten Alterthum bekannt war, und die barbarische Gewohnheit, gegen die Aethiopier auf die Jagd zu gehen, damals wie jetzt bestand?

Indem ich mich der ehrenvollen Pflicht entledige, welche mir die Akademie der Inschriften und der schönen Wissenschaften auflegt, bedaure ich, statt der genauen Berechnungen, welche eine vergleichbare Geographie des innern Afrika geben sollte, nur einen mangelhaften Abriß vorlegen zu können. Wenn es die Zeit erlaubte, so hätte ich eine Uebersicht alles dessen versucht, was die Wissenschaft dem durchdringenden Geiste d’Anvilles verdankt, was in unsern Tagen der Patriarch der Geographie, der d’Anville Englands, dessen bald bevorstehenden Verlust für die Wissenschaft wir befürchten, was die wichtigen Arbeiten französischer und deutscher Gelehrten[1] geleistet haben. Ich hätte gezeigt, wie weit durch die Untersuchungen des einsichtsvollen, des bedauernswerthen Burkhardt, wie weit durch jene des unglücklichen Ritchie und seines Gefährten, schon vor der neuen Entdeckung, dieser Gegenstand aufgeklärt worden. Ich hätte mich über die Probleme verbreitet, die jetzt noch zu lösen sind, über die Ungewißheit, welche jetzt noch rücksichtlich der, östlich von dem großen See, südlich und westlich von Dârfur gelegenen Landschaften, herrscht; über die großen äthiopischen Alpen, wovon das Mondsgebirg ein bloßer Ast ist, die im Süden 30 bis 40 Tagreisen weit sich erstrecken, und ihre Wasser durch den Nil ins Mittelmeer, durch mehrere große Flüße in den indischen Ocean ergießen; endlich, um bei dem innern Afrika stehen zu bleiben, über die Verbindung der Gewässer, welche Sego, Tombuktu, Yuri und Nifu befeuchten: – verwickelte Aufgaben für den Forschungsgeist des kommenden Geschlechts, das ihre Lösung, da sie einen so ungeheuren Raum, und so schwer zu bereisende Gegenden umfassen, vielleicht kaum in einem halben Jahrhundert zu Stande bringt.

(Fortsetzung folgt.)

Mémoires de Madame de Campestre etc. – Mémoires d’une Contemporaine etc. – Johannes Wit, genannt von Dörring. Fragmente etc.

(Fortsetzung)


Die zweite Schrift: Mémoires d’une Contemporaine erzählt in vier Bänden unzählige Liebesgeschichten mit hohen Militärpersonen und andern Männern, die zu den ausgezeichnetsten gehören, aus der Periode von der Revolution bis zur Rückkehr der Bourbons. Damit ist jedoch das Werk nicht geschlossen, indem noch zwei Bände angekündigt sind, in denen wir wahrscheinlich erfahren werden, wie diese Dame die beaux restes ihres Herzens an Helden der Restauration verschenkt. Irren wir nicht, so ist das Ganze mehr oder minder ein Roman, dessen Grund wahrscheinlich von einer sentimentalen Courtisane angelegt, und von einem geschickten Redacteur (der zu der Partei der Republikaner zu gehören scheint), in seine jetzige Gestalt gebracht wurde. Wir müssen dabei bekennen, daß man von der Lectüre dieser Memoiren, wenn man sich einmal darauf eingelassen, fast wider Willen angezogen wird, und mit einer Art Spannung sich alle diese Liebesgeschichten gefallen läßt. Offenbar ist jedoch das Buch auf die Liebhaberei frivoler Leser an scandalösen Geschichten berechnet, eine Liebhaberei, die sich im Gefolge der zurückgeführten guten alten Zeit wieder blicken läßt. Wahrscheinlich aus Achtung aber für die neue Zeit tritt hier die Frivolität mit einer Anständigkeit auf, die dem Leser fast vergessen macht, daß von sittenlosen Dingen die Rede sey. Außerdem ist auf eine andere Neigung der Zeit: die geheime Geschichte der historischen Personen, aus der Periode der Revolution und des Kaiserreiches, kennen zu lernen – Rücksicht genommen. Durch diese beiden künstlich und geistreich verwebten Reizmittel wurde vielleicht nichts beabsichtet, als dem Buche viele Leser zu gewinnen. Und diese Speculation scheint gelungen zu seyn: denn das Buch hat in wenig Wochen eine zweite Auflage erlebt. Der Erfolg ist begreiflich: die Gewandtheit des Schriftstellers weiß die Aufmerksamkeit zu spannen, wenn schon die Natur des Stoffes ihm nicht erlaubt, die Neugierde zu befriedigen, welche mit dem geheimen Innern der geschilderten Personen bekannt zu werden wünscht.

Die Dame (wie sie sagt, Tochter eines ungarischen (?) Magnaten, des Grafen Tolstoi (?) und einer Holländerinn von adelicher Familie, in Italien erzogen), zeigte frühzeitig ein ganz eigenthümliches Genie für verliebte Abenteuer, so daß sie sich bereits in ihrem zwölften Jahre von einem Ehrenmanne, der sie heirathete, entführen ließ. Sie hätte mit diesem achtungswürdigen Gatten sehr glücklich leben können; das angeborne Genie aber machte ihr bald die Ruhe verhaßt; daher sie ihrem Manne entlief, und nach Paris ging, wo nun das fessellose, lustig-traurige Leben begann, das sie mit coquetter Offenherzigkeit ausführlich beschreibt. – Sie wurde die Geliebte Moreau’s, dem sie nach Italien folgte, so wie als seine Gattin galt, und als solche eine der schönsten Zierden der glänzenden Gesellschaft wurde. An Treue gegen den Geliebten war jedoch nicht zu denken. Ihre Phantasie spiegelte ihr den Marschal Neu als einen der größten Helden vor; – sie hatte nun einmal eine Schwäche für Helden. Um Neu aufzusuchen, ging sie nach Paris. Ein unsittlicher, schlauer Mensch entdeckte ihre romantische Leidenschaft, und bemächtigte sich des Vertrauens der Dame; – er verleitete sie, dem General Moreau eine Schwangerschaft vorzuspiegeln, um Geld von ihm für ein untergeschobenes Kind zu erhalten. Dieser Mensch wird in dem Roman als


  1. Ritter, Mannert, Berghaus, Reichard etc.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_021.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)