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Das Ausland. 1,2.1828


Tasso fand in seiner Liebe einen Nebenbuhler an Giambattista Pigna, dem Philosophen und Secretair des Herzogs, der zwar die schöne Lucrezia in ungleich schlechteren Versen besang, doch wahrscheinlich durch das Ansehen, dessen er bei Hofe genoß, besser empfohlen wurde, als Tasso durch seine Leider. Die Prinzessin Leonora, die von dieser Nebenbuhlerschaft Unfrieden und Störungen befürchten mochte, fand ein sonderbares Mittel, alle Parteien zu vereinigen: auf ihren Rath wechselte Tasso mit seinem Gegner die Waffen. Er überließ es diesem, seine Geliebte zu besingen und einen ganzen Band Gedichte zum Lobe derselben zu schreiben und übernahm es dagegen diese Poesien in philosophischen Abhandlungen zu erklären. Ob mit der Art, wie dieß geschah, der Verfasser zufrieden war, müssen wir dahin gestellt seyn lassen: von Eifersucht, wenn er zu dieser Leidenschaft geneigt war, wurde er gewiß nicht geheilt. „Wie die Sterblichen Gott erkennen – sagte Tasso in der Zueignung seiner Erläuterungen an die Prinzessin, – wie die Sterblichen Gott erkennen, nicht in dem reinen und einfachen Wesen der Gottheit – denn dazu wären sie unfähig – sondern in dem Meisterwerke ihrer Schöpfungen; oder, wie wir die Sonne betrachten, nicht in ihrem eigenen ursprünglichen Glanze, sondern in dem Abbilde, welches das Wasser von derselben zurückwirft; so habe auch ich beschlossen zu thun, nämlich Signora Lucrezia in ihren Werken zu bewundern und zu feiern. Von diesen, so mannigfaltig und rühmlich sie auch sind, läßt sich aber keines mit den Liebesgedichten vergleichen, – ich weiß kaum, ob ich sagen soll des Secretairs Pigna oder der Signora Lucrezia; denn wenn sie von dem Geiste des einen in das Licht gestellt sind, so ging dagegen von der andern die Lebenskraft aus, welche sie schuf. Signore Pigna muß mir verzeihen, wenn ich ihn dieser Ehre beraube; ich kann jene Gedichte indeß nicht anders, als Gedichte der Signora Lucrezia nennen; weil so viele und so mannigfaltige Poesien, in so kurzer Zeit, über so bedeutende verschiedenartige Gegenstände, mit so großer Kunstfertigkeit geschrieben, und dieß unter den Abhaltungen der wichtigsten Geschäfte und in der Vertiefung eines unausgesetzten Studiums, nicht sowohl Erzeugnisse der Kunst und Wissenschaft, als Schöpfungen und Werke der Liebe seyn können.“[1]

(Fortsetzung folgt.)[WS 1]

Bemerkungen über die geographischen Entdeckungen und den Grad der Civilisation im innern Afrika.
(Fortsetzung.)

In Ermangelung eines allgemeinen wissenschaftlichen Gemäldes versuchen wir nach den neuesten Entdeckungen den Zustand der Völker des innern Afrika’s im Umrisse darzustellen. Eine Skizze wird bei einer noch in der Kindheit liegenden Civilisation genügen.

Der systematischen Ansichten über den gesellschaftlichen Zustand dieser Völker gibt es viele; wir sind gegenwärtig im Stande, jene Ansichten zu würdigen. Die alte Behauptung, es enthalte das innere Afrika eine zahlreiche und in großen Städten vereinte Bevölkerung findet sich bestätigt. Bornu allein zählt 13 Hauptstädte; Städte von 8–10,000 Einwohner sind häufig; es giebt deren mehrere zu 15,000–20,000; Ungornu hat 30,000; man zählt sogar mehrere bis 40,000; wie Kano.[2]

Darf man dem Berichte, welcher dem Major Denham gemacht wurde, Glauben beimessen, so hatte die alte 1809 zerstörte Hauptstadt von Bornu gegen 200,000 Einwohner; Sakkatu, 1803 erbaut, ist gegenwärtig die bevölkertste Stadt in Sudan, mit Ausnahme von Tombuktu, welches mit dem Dioliba-Flusse die Grenze dieser Region bildet. Kaschna ist jetzt fast verlassen. Alle diese Bevölkerungslisten beruhen indessen noch immer auf sehr unsicheren Schätzungen, und besonders hat man sich vor Uebertreibungen dabei zu hüten. Wenn sie sich in größern Massen in den von Mauern umgebenen Städten zusammendrängen, so geschieht dieß, um sich gegen unerwartete feindliche Angriffe zu schützen.

Bei der allgemeinen Unsicherheit bleibt der größte Theil des Bodens, der des Anbaues fähig wäre, verlassen. Wenn aber auch die Bevölkerung der Städte sich auf 3–400,000 Einwohner beliefe, die der Ortschaften und Dörfer auf 5-600,000, und die des übrigen Landes etwa auch noch auf 1,000,000, was ergäbe dieß, im Ganzen als 2,000,000 Einwohner für eine Oberfläche von wenigstens 50,000 ◻ Lieues bewohnbaren Landes?

(Die Fortsetzung folgt.)

Miscelle.

Der so eben erschienene zweite Band von Van Halen’s Memoiren enthält folgende, im Munde eines Russen vielleicht charakteristische Anekdote:

„Ich bin überzeugt, (sagte mir ein alter Hofmann aus der Zeit Paul I.) daß Europa jetzt glücklicher seyn würde, wenn die beiden Monarchen, die den Frieden von Tilsit schlossen, damals ihre Kronen gewechselt hätten. Alexander, mit seiner schönen Gestalt, seiner Mäßigung, der Anmuth seines Benehmens hätte bei den Parisern das Andenken Heinrichs IV erneuert, während Napoleon, mit seinem kriegerischen Geiste, an der Spitze unserer zahlreichen und tapfern Legionen auf den Mauern von Byzanz stünde, und den Gegenstand unserer heisesten Wünsche, die große griechische Verbrüderung, zu Gunsten der Civilisation entschiede. Zugleich öffnete Asien seinem Ehrgeize ein so ungeheures Feld, daß sein Leben nicht hingereicht hätte, es zu durchschreiten.“


  1. Serassi, vita di Tasso pag. 11?. S. im sechsten Band der großen Venet. Ausgabe von Tasso’s Werken, die Considerazioni sopra tre Canzoni di Gio. Batt. Pigna, intitolate le tre sorelle; nelle quali si tratia dell’ Amor Divino in paragone del lascivo.
  2. Kano hat 6 Stunden im Umfange; ist mit einem 30 Fuß hohen Erdwall, und einem doppelten Graben auf der innern und der äußern Seite desselben umgeben. Die Stadt hat Thore von Holz, die regelmäßig mit Sonnenaufgang geöffnet, und mit Sonnenuntergang geschlossen werden; aber kaum 1/4 des innern Raumes ist mit Häusern bedeckt, der Ueberrest mit Gärten und Feldern. Man findet hier eine eigene Anstalt für Blinde, selbst eine für Hinkende.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Keine weiteren Fortsetzungen mehr.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_031.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)