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Das Ausland. 1,2.1828

englischen Gesandten ausreiten, und beschrieb dem Schah bei dieser Gelegenheit, wie die europäischen Frauen im Sattel sitzen. Der Monarch wollte es nicht glauben, daß man sich auf diese Weise auf dem Pferde halten könne, ließ den englischen Sattel holen, und der arme Mirza mußte, trotz seiner Wohlbeleibtheit, seinem Herrn zeigen, auf welche Art die englischen Damen zu Pferde sitzen. Später kam der erste Eunuche der Königin, Aga Mubarik, um die Gemahlin des Gesandten zu Ihrer Majestät Tay-i-Dowlah (die Krone des Landes) einzuladen. Der Eunuche war ein Nubier, eine kleine, unansehnliche Gestalt. Seine großen Lippen verdankte er, wie er sagte, dem Hufschlage eines Pferdes.

Als der Schah dem Gesandten Audienz ertheilte, sagte er ihm, daß er ihn sehnlichst erwartet habe, daß sein Posten schon zu lange unbesetzt gewesen sey. Auf einige von dem Gesandten vorgebrachte Entschuldigungen, erwiederte der Schah: „Vielleicht ist es indessen gut, daß Ihr nicht früher gekommen seyd; leicht hättet ihr mit den Russen in Unfrieden gerathen können; aber (fügte er hinzu) ich habe ihnen in den Bart gespieen.“ Dann stellte er eine Vergleichung zwischen der russischen und englischen Nation an, die eben nicht zum Vortheil der ersteren ausfiel, und als der Gesandte ihm zu den glänzenden Erfolgen seiner Truppen Glück wünschte, rief er aus: „Ja, wie können diese Hunde es nur wagen, mit den Kizil Baschais (den goldenen Häuptern, wie die Perser sich selbst nennen) sich zu messen!“ Dann rief auch Abul-Hussein-Khan, der schon lange den Augenblick erwartet hatte, sich in das Gespräch zu mischen: „Wunderbar! o bewundernswerth! Es ist nur Ein Gott, und Gott sey gelobt! schon hat die siegreiche Armee des Schahs die Russen aus Georgien vertrieben; und Ihr (indem er sich gegen den Gesandten wandte) seht, Euer Antlitz ist erhellt, Euer Glanz hat sich noch erhöht durch die Gnade, deren der Herr, unser Schah, Euch gewürdigt hat.“ Der Gesandte antwortete hierauf blos mit dem persischen Spruche: Gelobt sey Gott!“ Dann nahm der Schah Kaffee und rauchte in einem mit Diamanten bedeckten Calnun,[1] den ein Khan ihm darreichte, worauf wir uns beurlaubten.

Der Schah ist vielleicht der redlichste Mann seines Reiches, man kann ihm außer der bei den orientalischen Nationen allgemeinen Geldgier wenig zum Vorwurfe machen. Er ist sehr geliebt von seinen Unterthanen; seine Regierung ist mild, und nur große Vergehen werden mit Strenge bestraft. In den jetzigen Krieg ward er gegen seinen Willen gezogen, durch den Mustae oder obersten Priester und durch die fanatischen Sektirer, die unaufhörlich den Thron umlagerten, und im Namen Allahs um Hülfe für die Gläubigen riefen, die unter Rußlands Joche seufzen. Im Geheimen aber soll er sehr das Ende der Feindseligkeiten wünschen, um in die Ruhe seines Palastes von Teheran zurückkehren zu können.

Nach alter Sitte müssen die Edlen des Hofes dem Könige bei jedem glücklichen Ereignisse ein Geschenk darbringen. Diesem Gebrauch weiß der gegenwärtige Schah eine große Ausdehnung zu geben. Er liebt besonders die Jagd, und ist ein trefflicher Schütze. So wie nun ein Stück Wild von seiner Hand fällt, ruft er aus: „Wahrlich trefflich getroffen!“ Dann setzt er, die Hand auf den Rücken haltend, hinzu: „Mein Geschenk, wenn’s gefällig ist.“ Dieß möchte noch hingehen: aber man erzählt, daß Se. Majestät auch, wenn sie gefehlt haben, die Hand ausstrecken, um sich über ihren Unstern zu trösten. Der Schah spielt fast jeden Tag Schach, und gewinnt beinahe immer. Einmal aber blieb er einem Khan, der die Gegenpartie spielte, eine beträchtliche Summe schuldig. Nach langer Zeit wagte es dieser ihn daran zu erinnern. „Ach, nichts ist wahrer, als dieß,“ antwortete der König lachend, „hier sind meine Fußsohlen,[2] schlagt darauf so lange ihr wollt; ihr wißt, daß ich von meinem Gelde mich nicht trennen kann.“ Wenn seine Frauen oder Kinder spielen, so wird stets das „Panier des Königs“ unter ihnen aufgepflanzt, wobei dann die Gewinnenden zehn Prozente von ihrem Gewinn niederlegen müßen.

Die Favoritsultanin des Schahs, Tay-i-Dowlah war Tänzerin in Ispahan gewesen. Seit dreizehn Jahren beherrschte sie den Harem als Souverainin. Ihre Sanftmuth und ihr freundliches Benehmen gegen die übrigen Frauen des Schah’s hat ihr, gegen die Gewohnheit des Harems, alle Herzen gewonnen. Auch die russischen Gefangenen erhielten mehr als eine Veranlassung sie zu ehren, da dieselbe sie mit allen Bedürfnissen des Lebens im Ueberfluß versah.

In dem Harem des Schahs befinden sich gegen tausend Frauen, und er ist Vater von etwa hundert Kindern. Jene Damen sind meistens sehr strenge gegen ihre Sklaven, und legen ihnen oft aus Muthwillen und Langweile die sonderbarsten Strafen auf. Außer den gewöhnlichen körperlichen Züchtigungen lassen sie sie bisweilen das Wasser aus den Calnun’s, in welchen sie geraucht haben, austrinken, lassen ihnen das Haupt scheeren, oder sie durch besonders abgerichtete Katzen kratzen, oder schlagen sie mit ihren Pantoffeln bis aufs Blut.

Die Frau des der Gesandschaft beigegebenen Doctor Macnail ward eines Tags in das Innere des Zenanah (der Aufenthalt der Kinder des Schahs) zugelassen, und sah dort einen jungen Prinzen von ungefähr zehn Jahren, welcher, ein Tuch über die Augen gebunden, im Zimmer herumtappte. Auf die Frage, was er mache? antwortete er trocken: „Da ich weiß, daß wenn mein Vater, der Schah, stirbt, mir die Augen ausgestochen werden, so gewöhne ich mich daran, im Dunkeln zu gehen.


  1. So heißt das mit Wasser gefüllte Gefäß, in welches der Perser zur Abkühlung des Rauches seine lange Pfeife steckt.
  2. Insolvente Schuldner bekommen nämlich die Bastonade auf die Fußsohlen.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_041.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)