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Das Ausland. 1,2.1828


die Habgier, welche so oft die Industrie begleitet und entwürdigt, hier jenen schändlichen Negerhandel herbeiführten, der für beide Welten gleich traurige Früchte trug. Glücklicher Weise ist dagegen auf dem spanisch-amerikanischen Festlande die Zahl der Negersklaven so unbedeutend, daß sie im Vergleich mit der Sklavenbevölkerung Brasiliens oder des südlichen Theiles der Vereinigten Staaten sich nur wie 1 zu 5 verhält. Die sämmtlichen spanischen Kolonien, Cuba und Portorico mit eingeschlossen, haben, auf einer Flächenausdehnung welche die von Europa wenigstens um ein Fünftheil übersteigt, nicht so viel Neger als der einzige nordamerikanische Staat Virginien. Die spanischen Amerikaner in der Union von Neu-Spanien und Guatimala bieten, unter der heißen Zone, das einzige Beispiel einer Nation dar, von acht Millionen Einwohnern, welche nach europäischen Gesetzen und Institutionen regiert werden, Zucker, Cacao und Wein bauen, und dennoch fast gar keinen dem afrikanischen Boden entrissenen Sklaven haben.

Die Bevölkerung der neuen Welt ist gegenwärtig nur um etwas weniges größer, als die von Frankreich oder Deutschland. Sie verdoppelt sich in den Vereinigten Staaten in 23 oder 25 Jahren. In Mexiko verdoppelte sie sich, selbst unter der Herrschaft des Mutterlandes, in 40 oder 45 Jahren. Ohne sich übertriebenen Hoffnungen über die Zukunft hinzugeben, kann man daher rechnen, daß in weniger als anderthalb Jahrhunderten die Bevölkerung Amerika’s der von Europa gleich kommen wird. Der edle Wettstreit der Civilisation, der Industrie und des Handels wird, statt den alten Kontinent arm zu machen, wie man so oft zu prophezeien sich gefällt, vielmehr, auf Kosten des neuen, den Verbrauch der Lebensbedürfnisse, die Masse der produktiven Arbeit und das rege Leben des gegenseitigen Austausches befördern. Freilich muß nach den großen Revolutionen, welche die Verfassungen der Staaten erlitten haben, der öffentliche Wohlstand, das gemeinsame Erbtheil der Civilisation, unter den Völkern der beiden Welten verschieden vertheilt sich finden; aber allmählig stellt sich das Gleichgewicht wieder her, und es ist ein trauriges, ich möchte fast sagen gottloses, Vorurtheil, wenn man das wachsende Glück irgend eines andern Theiles unsers Planeten als ein Unglück für das alte Europa betrachtet. Die Unabhängigkeit der Kolonien wird sie nicht von uns absondern; sie wird sie vielmehr den längst gebildeten Völkern näher bringen. Der Handel wird vereinen, was eine eifersüchtige Politik so lange getrennt hatte. Außerdem liegt es in der Natur der Civilisation, daß sie vorwärts schreiten kann, ohne deßhalb nothwendig da, wo sie entstand, zu verschwinden. Ihr fortschreitender Gang von Osten nach Westen, von Asien nach Europa, beweist nichts gegen diesen Grundsatz. Ein helles Licht behält seinen Glanz, selbst wenn es einen größern Kreis beleuchtet. Die geistige Bildung theilt sich stets auf vielfachern und nähern Wegen mit; sie breitet sich aus, ohne die Stelle zu wechseln. Ihre Bewegung ist keine Wanderung. Wenn letzteres uns im Oriente der Fall zu seyn schien: so geschah dieß, weil barbarische Horden sich Aegyptens, Kleinasiens, und jenes jetzt entfesselten Griechenlands, der Wiege der Civilisation unserer Väter, bemächtigt hatten.

Die Abstumpfung der Völker ist die Folge der Unterdrückung, welche entweder innerer Despotismus oder ein fremder Eroberer ausübt; stets ist sie von zunehmender Verarmung begleitet. Freie, kräftige Institutionen, im Interesse Aller gegründet entfernen diese Gefahren; und die wachsende Civilisation der Welt, die Konkurrenz der Thätigkeit und des Austausches, kann den Staaten nicht gefährlich werden, deren Wohlstand aus natürlichen Quellen fließt. Das produktive und handelnde Europa wird bei der im spanischen Amerika eintretenden neuen Ordnung der Dinge gewinnen, wie es, in Folge vermehrter Konsumtion, durch die Befreiung der Halbinsel des Hämus, der Nordküste Afrika’s und anderer dem Despotismus der Ottomannen unterworfenen Länder, gewinnen würde. Im spanischen Amerika ist der Kampf beendigt. Schon sehen wir, rings an den Gestaden des atlantischen Oceans, unabhängige Staaten erblühen, nach sehr verschiedenen Verfassungsformen regiert, vereint aber durch die Erinnerung des gemeinsamen Ursprungs, durch die Gleichheit der Sprache und durch die Bedürfnisse, welche die Civilisation hervorruft. Die Fortschritte der Schifffahrt haben die unermeßliche Fläche des Meeres in einen schnell durchschnittenen Raum verwandelt. Der atlantische Ocean erscheint uns nur noch wie ein Kanal, der die Länder der neuen Welt von den Handelsstaaten Europa’s in keiner größern Trennung hält, als einst, in der Kindheit der Schifffahrt, das Mittelmeer die Griechen des Peloponneses von denen Ioniens, Siciliens und Cyrenes trennte.

(Essai pol. sur l’île de Cuba.)




Bemerkungen über die financielle Lage Englands.

(Edinburgh-Review)

Es würde bloße Zeitverschwendung seyn, wenn man erst beweisen wollte, daß aus einer bedeutenden Ermäßigung der Staatsabgaben große und wichtige Vortheile für den einzelnen Bürger sowohl, als für den Staat selbst, hervorgehen würden. Wir glauben indessen keiner Entschuldigung zu bedürfen, wenn wir uns hier einige Bemerkungen über die Art und Weise erlauben, wie dieselben nachtheilig auf den öffentlichen Wohlstand einwirken, da in dieser Beziehung noch sehr allgemein ganz falsche Ansichten verbreitet sind. Was man uns von vorn herein zugeben darf, ist, daß die Besteuerung nothwendig nachtheilige Folgen haben muß, wenn sie so hoch gesteigert wird, wie dieß in England der Fall ist. Um die Wahrheit dieses Satzes nachzuweisen, brauchen wir nicht in eine genaue Auseinandersetzung der Natur der verschiedenen Steuern einzugehen; wir können uns vielmehr damit begnügen im Allgemeinen zu sagen, daß jede Steuer am Ende auf eine von den folgenden drei Erwerbs-Quellen fallen muß; auf Rente, auf Handels- oder sonstigen Gewinn, oder auf Arbeitslohn, im weitesten Sinne des Worts. Legt man Abgaben direkt auf den Arbeitslohn, oder auf die Artikel, welche der Arbeiter consumirt, so werden hiedurch entweder die arbeitenden Classen, die in jedem

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_045.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)