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Das Ausland. 1,2.1828

Erfahrung genugsam gezeigt, daß ein verhältnißmäßig sehr geringer Gewinn stets diese Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten zu überwinden weiß.

Aus diesem Grunde legten die holländischen Kapitalisten im vorigen Jahrhundert ihre gesammelten Schätze nicht in ihrer Heimat an, und führten dadurch den fast gänzlichen Ruin ihres Handels, ihrer Manufakturen und ihrer Fischereien herbei. Wir müßten völlig den Verstand verloren haben, wenn wir diese so nachdrückliche Lehre nicht benützen wollten. Unsere Lage hat in einer Hinsicht große Aehnlichkeit mit der, in welcher Holland sich im Anfange des vorigen Jahrhunderts befand. Das Sinken des Gewinns bei uns seit dem Frieden hat Folgen nach sich gezogen, die uns zwingen, eilig Maßregel zu ergreifen, um die Wiederkehr solcher Ereignisse zu verhindern. Ja, dieses Sinken hat unsere Kapitalisten verleitet, bei Anleihen fremder Staaten das größte Risiko zu übernehmen und die nachtheiligsten Unternehmungen zu versuchen. Jeder Staat, was für eine Art von Sicherheit er auch anzubieten haben mochte, hat in England Anleihen negotiiren können, und trotz der ungeheuersten Verluste, die wir schon erlitten haben, möchte außer Ferdinand von Spanien vielleicht noch jetzt kein Souverain in Europa und kein Kazike in Südamerika seyn, dem die Londoner Kapitalisten nicht jeden Augenblick gern die größten Summen unter sehr billigen Bedingungen darleihen würden.

(Fortsetzung folgt.)


Scènes contemporaines

laissées par Madame la Vicomtesse de Chamilly, Paris 1828

Als Probe dieses so eben erschienenen sehr interessanten Werkes, das eine Reihe von Sittenschilderungen aus den höheren Ständen Frankreichs enthält, sendet einer unserer Pariser Correspondenten uns folgende Bruchstücke, aus der Scene la Quête, welche das Geldsammeln für die Griechen, wie es im verflossenen Jahre in Paris Mode war, vortrefflich charakterisiren.

Erste Scene (Hof eines vornehmen Hauses.)

     Portier. Ja Herr Pater, Herr Courtin ist zu Hause. Im ersten Stock, der Treppe gegenüber. (Man klopft; er zieht die Haus-Thüre auf.) Wer klopft denn so stark?

     Jäger. Ihr seyd der Portier?

     Portier. Wenn Ihr lesen könnt, so sehet ihr, daß ich Schließer bin.[1]

     Jäger. Richtig. Wir haben seit zwei Jahren einen Schweizer. Wohnt hier ein Generalhospitalaufseher?

     Portier. Ja, im ersten Stock, der Treppe gegenüber.

     Jäger. Das frage ich Euch nicht für mich. Er ist zu Hause? (Ruft zur Thüre hinaus:) Johann, vorgefahren! Die Damen können hinaufgehen, wenn sie vom Agent de change kommen, der neben an wohnt. (Zum Portier:) Seht, Herr Schweizer, wir sammeln für die Griechen. Habt ihr noch eine andere reiche Person im Hause?

     Portier. Potz Wetter! Wir haben einen reichen Fremden oben, einen Gesandschaftssekretär. O mein Haus ist gut besetzt.

     Jäger. Seyd Ihr liberal? Gebt Ihr für die Griechen?

     Portier. Ei, mein Freund, ich gebe niemals; ich nehme.

     Jäger. Ihr seyd also geizig. Scheint Ihr doch ein gutes Einkommen zu haben. Der gemeinste Handwerker gibt für diese heilige Sache ... Unser Herr hat uns alle geben lassen.

     Portier. Wirklich?

     Jäger. Ja gewiß. Er will, alle seine Leute sollen Philhellenen seyn. Wir geben ein Prozent von unserm Gehalt; das bringt sich schon wieder ein. Na, macht Eure Tasche auf, Papa; ein Schließer muß Ehrgefühl haben. Für einen Frank steht Euer Name in der Zeitung.

     Portier. Was schwatzt Ihr mir da vor? Was ist denn das, die Griechen?

     Jäger. Wie? so weit zurück seyd ihr?

     Portier. Ich war Pedell in Saint-Mandé. Herr Courtin hat mir meine jetzige Stelle gegeben; er ist ein so wohlthätiger Mann!

     Jäger. Nun das ist ja gerade Wohlthätigkeit, verfolgte Unglückliche, wie die armen Hellenen sind, zu unterstützen… Ach! hierüber müßt Ihr meinen Herrn sprechen hören.

     Portier. Die Hellenen? sind das eine Art von Paters? Wir haben hier schon für die Lazaristen gegeben.

     Jäger. Weiß nicht, was das ist; aber die Hellenen! Herr Benjamin Constant, der dieser Tage bei uns gespeist hat, meint, man werde ihnen schon ihre Freiheit widergeben, trotz –

     Portier. Das ist möglich. Herr Courtin meint auch, man werde die alten Orden schon wieder herstellen; er ist gestern für die Nonnen durch die ganze Vorstadt Saint Germain gelaufen.

     Jäger. Nonnen? Bist du bigott? Wenn unser Portier so gedächte, wie du, bliebe er keine 24 Stunden im Hause.

     Portier. Und Ihr, Herr Jäger, mit Euren dicken Epaulettes, Ihr seht aus, als wäret Ihr von einem revolutionären Hause, wiewohl Ihr für ein Kloster sammelt. Doch da sind ja Eure Damen, die können sich mit meinem Herrn verständigen.

     Jäger. Gnädige Frauen, Sie können hinaufgehen.

(Schluß folgt.)
  1. In Paris steht an der Thüre des Portier-Zimmers in den gewöhnlichen Häusern: Parlez au Portier; in den vornehmeren: P. au concierge; in den vornehmsten: P. au Suisse.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_047.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)