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Das Ausland. 1,2.1828

seiner Dampfmaschine, die unteren Pfeifen des Kessels sind die Arterien und die oberen Pfeifen die Venen. Das Wasser, welches hier die Stelle des Blutes vertritt, wird zuerst von den Behältern in die Pfeifen gesendet, – die Wirkung des Feuers verwandelt dasselbe bald in Dampf, welcher durch die Pfeifen zu dem oberen Theile des Behälters aufsteigt und ein gewisses Maaß Wasser mit sich in die Separators führt, welches natürlich in den unteren Theil hinabsinkt, und zurückkehrt, um die Pfeifen wieder zu füllen, welche durch die Verdampfung geleert worden sind; da der Dampf das Wasser von oben mit elastischer Kraft niederdrückt und daher die Pfeifen beständig voll und den regelmäßigen Umlauf ununterbrochen in Gang erhält.

Im Centrum des Separators sind perforirte Dampfröhren, welche beinahe bis zu den – natürlich (um das Entfliehen des Dampfes zu hindern) hermetisch verschlossenen – Enden derselben aufsteigen. Durch diese Röhren dringt der Dampf mit seiner ganzen Kraft herab und wird durch eine Hauptröhre unter dem Wagen fortgeführt bis zu dem Ende der Platteforme, welche das Wasserbecken bildet. Diese Röhre läuft unter derselben so weit hin, bis sie zwei große Seitenröhren erreicht, die in Verbindung stehen mit den Cylindern, deren Stämpel die Maschinerie in Gang bringen. Die Kurbeln (cranks) der Achse werden so in Bewegung gesetzt und den Rädern ihre Rotation gegeben. – Durch die auf diese Art erzeugt Kraft wird auch eine Pumpe getrieben, welche das Wasser in den Dampfkessel pumpt und diesen beständig voll erhält. Das Wasserbecken muß zu gewissen Fristen – durch einen sehr einfachen Proceß – aufs neue gefüllt werden; und es ist darauf berechnet, daß es eine hinlängliche Quantität (sechzig Gallonen) für die Consumtion einer Stunde hält. Der Ofen (in dem Dampfkessel) ist gleichfalls darauf berechnet, eine verhältnißmäßige Menge Brennmaterialien zu fassen und kann mit gleicher Leichtigkeit aufs neue mit denselben versehen werden.

Was die äußere Form betrifft, so ist der Wagen den gewöhnlichen englischen Landkutschen ähnlich, nur größer und höher stehend, da der Kasten neun Fuß vom Boden erhaben ist. Die Außensitze sind wie gewöhnlich; und hier kann man fragen, ob die Passagiere auf den Hintersitzen nicht durch den aus dem Ofen aufsteigenden Rauch belästigt werden würden? Wir können dieß verneinen; den eigentlichen Rauch giebt es gar nicht, da bloß Holzkohle oder abgeschwefelte Steinkohle gebraucht wird. Die verdünnte heisse Luft aber, die aus den Rauchfängen kommt, wird durch die Bewegung des Wagens sogleich zerstreut; ausserdem stehen die Rauchfänge höher, als die Sitze der Passagiere.

Mr. Gurney’s Wagen würde mit Bequemlichkeit im Innern sechs und auf den Außensitzen fünfzehn Passagiere aufnehmen, außer dem Lenker, welcher zugleich der Maschinenmeister ist. Auf der Vorderseite der Kutsche ist ein geräumiger Kasten, das Behältniß auf der Rückseite, welches die Form eines Kastens hat, ist die Kapsel für den Dampfkessel und Ofen, welcher – wir wiederholen es – nicht die geringste Unbequemlichkeit für die Aussenpassagiere verursacht, sondern nur einen gewissen Grad von Wärme verbreitet. – Die Länge des Wagens von einem Ende zum andern ist fünfzehen Fuß, und mit der Deichsel und den Lenkrädern, zwanzig Fuß. Ein dreifacher Baum trägt die Maschinerie, und unter demselben sind zwei Forttreiber (propellers), welche beim Hinauffahren auf eine Erhöhung in Bewegung gesetzt werden können, und mit einer der Thätigkeit von Roßschenkeln zu vergleichenden Wirkung die Kraft der Maschine unterstützen. Beim Abwärtsfahren tritt dagegen die Wirkung einer Schleife ein, welche an den Hinterrädern angebracht ist, um die Reibung zu vermehren; außerdem kann der Wagenlenker die Kraft des Dampfes nach Willkühr mindern oder völlig aufheben; indem er zur Rechten einen Hebel hat, der auf die Drosselklappe (throttle valve) wirkt und sogleich ein Vacuum in den Cylindern hervorbringen kann. – Auf diese Weise bestimmt er auch die Schnelligkeit der Bewegung, die von zwei Meilen zu zehn Meilen oder noch mehr in der Stunde variirt. Ein anderer Hebel bringt den Wagen erforderlichen Falls in einem Augenblick zum Stillstehen.

Das Lenken des Wagens geschieht mit der größten Leichtigkeit: indem der Wagenlenker durch eine Handhabe, die mit der Deichsel und durch diese mit den Lenkrädern in Verbindung steht, die Richtung des Wagens bis auf ein Achttheil-Zoll bestimmen, allen Hindernissen ausweichen, um Ecken beugen, kurz alles das thun kann, was ein geschickter Kutscher bei einem gewöhnlichen Wagen thut.

Das Gesammtgewicht des Wagens mit seinem ganzen Apparat wird auf 3000 Pfund (11/2 tons) geschätzt und die Abnutzung der Straße verhält sich zu der von einem gewöhnlichen Wagen, welcher von vier Pferden gezogen wird, wie 1 zu 6. Wenn der Wagen in Bewegung ist, wird nicht das geringste Geräusch von der Maschinerie gehört; die Erschütterung desselben ist, bei der größeren Solidität der Bauart, bei weitem geringer, als die eines gewöhnlichen Wagens. Die Maschine besitzt die Kraft von zwölf Pferden, und diese kann bis auf 18 erhöht werden, während für den gewöhnlichen Gebrauch, außer zum Bergauffahren, nur eine Kraft von 8 Rossen erfordert wird.

Die Ersparung, welche der Gebrauch des Dampfwagens brächte, ist – wenn man die Kosten desselben mit denen der von vier Pferden gezogenen Landkutsche von London nach Bristol vergleicht, sehr bedeutend. Straßenzoll sollte, nach einer Erklärung des Ministeriums nicht eher erhoben werden, bis vierzig Dampfwagen in Gebrauch wären; man beabsichtigt indessen, um alle Streitigkeiten zu vermeiden, die Hälfte des gewöhnlichen Weggeldes zu zahlen.

Erklärung der Zahlen in der Abbildung.
Fig. I.
1) Der Wagenlenker und Maschinenmeister.
2) Die Handhabe, welche die Deichsel und Lenkräder leitet.
3) Die Lenkräder (Pilot-Wheels).
4) Die Deichsel.
5) Der Vorkasten, für Gepäck.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_049.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)