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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 10. 19. Januar 1828.

Irisches Bank-System.


Die große Crisis, welche den commerciellen Wohlstand Großbritanniens in ihren Grundfesten erschütterte und in den Ruin der angesehensten englischen Häuser einen großen Theil der Handelswelt Europas wie Amerikas hineinzog, ist in noch frischem Andenken, als daß wir nöthig hätten, unsere Leser daran zu erinnern, ein wie bedeutendes Moment in den Veranlassungen dieses unglücklichen Ereignisses neben dem übertriebenen Speculations-Geist der Britten im allgemeinen, insbesondere die ausschweifende Licenz des brittischen Bankwesens ausmachte, wonach Jedem, der sich als Banquier etablirte, ohne alle Controlle, erlaubt war, Papiergeld auszugeben, so viel ihm beliebte, und so viel das leichtgläubige Publikum annehmen wollte. Ein kürzlich erschienenes, sehr unterhaltsames Werk: „Clubs of London,“ auf welches wir noch zurückkommen werden, enthält unter andern folgende Scene, welche dieses Unwesen zwar mit etwas stark aufgetragenen Farben, aber deshalb, besonders in ihrer Beschränkung auf Ireland, nicht weniger wahr und treffend schildert.

„Von dem Bankwesen Irelands zu sprechen, sagte ein Irischer Gentleman in einem der Londoner Klubbs, ist so unbarmherzig, als einem Mann, der abgebrannt ist und sein ganzes Vermögen in den Flammen verloren hat, von einem Feuer zu erzählen. Diese Art Spekulation wurde so weit getrieben, daß zu einer gewissen Periode Landbanknoten zum Belauf einer Summe von drei Pence ausgefertigt wurden; während die von sechs Schilling in der That schon etwas seltenes waren.“

Da ein anderer Gentleman sein Erstaunen hierüber aussprach, so führte der erste Sprecher sogleich ein Beispiel zum Belege der Wahrheit seiner Behauptung an.

In der Stadt Killarney, sagte er, bestand eine dieser Banken; der Eigenthümer derselben war eine Art Sattler, dessen ganzes Lager in diesem Geschäft schwerlich vierzig Schilling werth seyn mochte, und gerade diese vierzig Schillinge waren das ganze reelle Capital, welches er in seiner Bank nachweisen konnte.

Ich begleitete einst eine zahlreiche Gesellschaft englischer Damen und Herren an diesen bezaubernden Ort, wo wir mehrere Tage recht vergnügt zubrachten. Als wir im Begriff waren nach Dublin zurückzukehren, erinnerte sich einer von uns, daß er noch eine Handvoll von den Papieren des Sattlers habe; wir machten uns daher, zum Spaß insgesammt auf den Weg, sie zu wechseln; hauptsächlich, um den Eigenthümer einer solchen Bank zu sehen, und uns mit ihm zu unterhalten. Eingetreten in die Werkstatt, die kaum groß genug war, die ganze Gesellschaft zu fassen, fanden wir unseren Banquier hart in der Arbeit. Einer der Gentlemen redete ihn an: guten Morgen euch, Herr; ich glaube, ihr seyd der Herr vom Hause?

Euch zu dienen, meine Herren und Damen, erwiederte der Sattler.

Es ist hier, höre ich, wo die Bank gehalten wird? fuhr mein Freund fort.

Ihr seyd ganz richtig, mein Herr, entgegnete der Handwerker, dieß ist die Killarney-Bank, so lange keine bessere da ist.

Mein Freund sagte hierauf: Wir stehen im Begriff, eure Stadt zu verlassen, und da wir noch einige von euern Noten haben, die uns anderwärts zu keinem Gebrauch seyn werden; so könnt ihr mich durch Baarschaft für dieselben verbinden.

Der Banquier erwiederte: Baarschaft! Wenn es Euer Gnaden gefällig wäre, was ist das? Ist es irgend etwas, was in mein Geschäft gehört? Ich habe einen so schönen Sattel hier, als je auf ein Pferde gelegt wurde; gut und wohlfeil, wie ich Euch sage. Wie viel von meinen Noten habt Ihr, Herr, wenn es Euch gefällig ist?

Diese Frage erfoderte einige Zeit zur Beantwortung, da erst eine Berechnung angestellt werden mußte; endlich brachte mein Freund die Summe heraus.

Hier, Herr, sagte er; sind nicht weniger als sechszehn Zahlungsversprechungen auf die ungeheure Summe von 15 Schillig 9 Pence Sterling Geld.

Bei den Mächten[1] also, das ist es was Euer Gnaden sagen kann! denn wenn Sterling so viel ist, als brav bis auf den Knochen, so ist es gewiß, daß die Killarneynoten umlaufen werden, das ganze Jahr durch, ohne daß man sie auszuwechseln braucht.

Ohne Zweifel, ohne Zweifel! sagte unser Sprecher; aber wir sind im Begriff abzureisen und werden unterwegs wechseln müssen.

Bei Jesus, ihr werdet das nöthig haben, sicher genug; aber, ich rufe meinen Gott zum Zeugen, daß ich nicht mehr Silbergeld auf dem Platze habe, als diese vier Blechpfennige und ein Paar Harfer,[2] was Euer Gnaden Notiz nicht werth ist.

Lieber Himmel, Herr! entgegnete der Gentleman, wie ist es möglich, daß ihr das Bankgeschäft mit einem so kleinen Capital treiben könnt?


  1. By the powers!, Ein vielleicht noch aus dem Heidenthum stammender Ausruf des irischen Landvolks.
  2. Harpers, irische Halbpfeninge
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_083a.jpg&oldid=- (Version vom 28.4.2023)