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Das Ausland. 1,2.1828

ob er dadurch Menschen und Vieh zu Grunde richtet und den Boden selbst aussaugt. Wollten wir Mehemed Ali blos nach unsern Begriffen beurtheilen, so würden wir ihm sowohl im Guten als im Bösen wahrscheinlich zu viel thun. Aber lassen wir ihn seyn, was er ist, einen Türken, der sich von der Nützlichkeit mancher europäischen Einrichtungen überzeugt, dabei aber nie das natürliche Gepräge seines Volkscharakters aufgegeben hat; so dürfte vielleicht für Sultan Mahmud in mancher Beziehung die Vergleichung mit seinem Vezier nicht ganz so ungünstig ausfallen, als Manche glauben. Gewiß ist der erstere, als er mit der Ausrottung der Janitscharen seinen Reformationsplan ins Werk setzte, zwar nicht glimpflicher, aber auch nicht weniger besonnen und consequent verfahren als Mehemed Ali mit seinen Mamelukken, und es fragt sich, ob nicht das Reich des jungen Mahmud mit verjüngter Kraft aus den gegenwärtigen Erschütterungen hervorgeht, da es auf jeden Fall einen Nationalwillen zur Basis hat, wenn das künstliche Gebäude der Macht des bereits alternden Veziers[1] in sein ursprüngliches Nichts zurücksinkt?

Die ersten Jahre Mehemed Ali’s in Egypten, wohin er, als Bimbaschi, schon zur Zeit der französischen Invasion gekommen war, gaben ihm Gelegenheit, seine militärischen Talente, besonders aber jene Künste zu üben, welche in despotisch regierten Ländern, wo es keine Standesbegriffe giebt, dem Niedrigsten aus dem Volke den Weg zu den höchsten Staatswürden bahnen. Als die Franzosen das Land räumten, und nun der hartnäckige Kampf ausbrach – zwischen den Statthaltern der Pforte, die nach dem ungetheilten Besitze der Macht, und den Mamelukken-Häuptlingen, die wenigstens nach der Wiedereinsetzung in ihre frühern Vorrechte und Besitzthümer strebten, da war Mehemed Ali nichts als Soldat und schien auch nichts anderes seyn zu wollen. Daß er sich seiner Leute annahm, wenn der hartherzige Pascha, der eben kein Geld hatte, ihnen den Sold ungerechter Weise vorenthielt, und daß ihn die Soldaten dafür liebten, Blut und Leben für ihn zu lassen schwuren – beides war ganz in der Ordnung. Wenn er ein anderesmal die Vereinigung seines Truppencorps mit den Mamelukken dem Vortheil der Pforte für angemessener hielt als den Krieg, den der Pascha führte und der im Grunde den Wohlstand des Landes eben nicht beförderte, handelte er da nicht als ein treuer Unterthan seines Oberherrn, des Sultans, indem er sich weigerte, einen unfähigen Beamten bei seinen verderblichen Maßregeln zu unterstützen! Die Albaneser, die Einwohner von Kairo, die Scheyks, die Ulemas, vielleicht sogar die Mamelukken selbst, überzeugten sich bald, daß kein Mohammed Kusruf, kein Taher, kein Ali Gezairty, kein Kourschid Pascha[2] dem schwierigen Posten eines Statthalters von Egypten gewachsen sey, sondern einzig und allein Mehemed Ali, der Liebling der Soldaten und der Beschützer des Volks. Obgleich insgeheim von einem unersättlichen Ehrgeiz verzehrt und ungeduldig den Augenblick erwartend, wo der Genuß der Macht seine höchsten Wünsche krönen sollte, lehnte Mehemed Ali, wie er sich den Schein gab, ganz unbefangen die ihm vom Divan von Kairo übertragene Gewalt ab, und harrte mehr als zwei Monate lang des bestätigenden Hattyscherpf’s, in welcher Zeit er sich jedes Regenten-Aktes enthielt. Sein Benehmen gegen den bisherigen Statthalter, den er in der Citadelle von Kairo belagert hielt, könnte uns zu einem Manne befremden, dem es so sehr darum zu thun war, seine Achtung und Ergebenheit gegen die Pforte an den Tag zu legen, und seine Treue und seinen Gehorsam von jedem Verdacht der Usurpation rein zu bewahren. Allein die türkische Staatskunst, die überhaupt in neuerer Zeit manche überraschende Proben ihrer Geschicklichkeit gab, hat zu fein ausgesponnene Begriffe, als daß sie die Auflehnung gegen einen Pascha und die Auflehnung gegen den Sultan selbst für einerlei Verbrechen hielte.

Entlegene Provinzen, wohin der Arm des Oberherrn nicht unmittelbar reicht, sucht die Pforte hauptsächlich dadurch in Abhängigkeit zu erhalten, daß sie kleinere Aufstände gegen ihre mächtigen Vasallen begünstigt, manchmal sogar durch geheime Emissäre selbst veranlaßt. Gelingt dem kühnen Empörer sein Versuch, so wird es ihm nicht schwer, sich das, was er durch List oder Gewalt errungen, durch die gesetzliche Autorität der Pforte bestätigen zu lassen. Im entgegengesetzten Falle wird er, selbst wenn er der geheime Schützling der Pforte wäre, geopfert und die Sache hat keine weitere Folge.

(Fortsetzung folgt.)


Erinnerungen aus Italien.

(Von einem englischen Gentleman.)

(Fortsetzung.)

Der Palast der Propaganda. Die Scala. Die Fontana. Der römische Bettler.

Da die Antwort auf mein Schreiben noch immer nicht ankam, so ging ich hinaus, um die Façade des Gebäudes zu betrachten. Nie hat architektonischer Eigensinn den Stein in bizarrere Formen gezwungen. Die Sapienza, die Kirche St. Carlo, die Quatri Fontane, lauter Muster eines ausschweifenden Geschmacks, sind nichts gegen diese tolle Façade, und alle Hülfsmittel der Sprache reichen nicht hin, um die ganze lächerliche phantastische Ungestalt dieses Gebäudes auszudrücken. Alles was den Geschmack beleidigen und das Auge verletzen kann, hat der Architekt hier mit einander vereinigt. Vergebens

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_089.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)
  1. Mehemed Ali ist 1769 in der rumelischen See-Stadt Cavale geboren; Mahmud ist 16 Jahre jünger. Beide waren ungefähr in gleichem Alter, als sie der Welt zeigten, daß sie keine gewöhnlichen Menschen seyen. Die Katastrophe der Janitscharen ist noch in frischem Andenken; Mehemed Ali, d. 1. Apr. 1806 zum Pascha von Egypten erhoben, vollendete die Zerstörung der Mamelukken-Herrschaft d. 1. März 1811.
  2. Die Vorgänger Mehemed Ali’s; von denen Khurschid derselbe ist, der später den Krieg gegen Ali Pascha von Jannina zu Ende brachte und wegen Unterschlagung der Schätze des Tyrannen von Epirus in Larissa hingerichtet wurde.