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Das Ausland. 1,2.1828

nach welcher wir zugingen – von der Fels-Wand umschlossen war, und fanden uns zum zweitenmal an dem Rand eines Abgrunds von einer Tiefe von 400 Fuß, gleichfalls mit Büschen und Bäumen bedeckt, wie der erste. Er zog sich eben so wie dieser, im Kreise zu unserer Rechten und zu unserer Linken hin, und schloß eine ebene Strecke von der Breite einer Viertel Meile ein, an deren Ende unmittelbar der letzte furchbare Abgrund vor uns lag, den wir suchten, und aus welchem unter unaufhörlichem Getöse die von uns bereits in der Ferne wahrgenommenen Dampfsäulen aufstiegen. Einen Augenblick nur standen wir stille um von ferne den ersten Blick darauf zu werfen, stiegen dann an der fast senkrechten Wand hinab, und eilten über die Fläche bis zum eigentlichen Rande des Kraters.

(Fortsetzung folgt.)

Von dem muthmaßlichen Erfolge einer Invasion in Indien.

(Blackwoods Magazine.)

(Fortsetzung.)

Vergleichen wir jetzt die Art, wie asiatische Horden die Länder durchstreifen, mit dem geordneten Marsch einer europäischen Armee. Bei jenen muß jeder Einzelne für sich selbst sorgen, und darf auch dreist auf seine eignen Hülfsquellen vertrauen. Findet er das, was er bedarf, im Bereich einer Meile vom Lager, so kehrt er wieder dahin zurück; findet er es nicht, so geht er weiter. Kann er auf keine andere Weise etwas erhalten, so gebraucht er Gewalt oder List. Einzelne Stämme vereinigen sich, um sich gegenseitig zu unterstützen, und ihre Bewegungen sind so schnell, daß das Landvolk ihnen nicht entfliehen, und ihrer vereinigten Macht nicht widerstehen kann. Jeder Soldat fourragirt, die Bagage ist leicht zu transportiren, und sollte man sie auch im Stiche lassen müssen, so wird der Wirksamkeit des Heeres doch wenig dadurch benommen. Mundvorrath wird aus entfernten Gegenden zusammengeholt, und das Volk ist gewohnt sich mit Wenigem zu begnügen. Sonst hat das Heer fast gar keine Bedürfnisse, und die wenigen, die es hat, sind von der Art, daß sie sich in den Ländern, durch welche der Zug geht, immer herbeischaffen lassen. Der Abgang, den das Heer erleidet, wird hie und da durch Rekrutirung bei den Stämmen, durch deren Land man zieht, ersetzt, und diese neuausgehobene Mannschaft tritt ohne weiteres sogleich in die Reihen ein. Keine Artillerie, kein Kriegsvorrath hält ihren Zug auf, denn jeder führt seine Munition hinter sich auf dem Pferde. Das Clima ist wenig oder gar nicht von demjenigen verschieden, in welchem sie zu leben gewohnt sind, und unter einem Volke, welches ähnliche Sitten und Gebräuche wie das ihrige hat, können sich die stammverwandten Krieger nicht fremd fühlen.

Bei einer geordneten europäischen Armee aber findet fast in jeder Hinsicht das gerade Gegentheil statt. Hier darf nicht ein jeder selbst suchen, was er bedarf, und es ist ihm sogar nicht einmal erlaubt, seinen Theil zu nehmen, wenn man ihn auch noch so spärlich versorgt. Einzelne Corps werden zum Fourragiren ausgeschickt, und wenn diese unbekannt mit dem Lande und den Sitten der Einwohner sind, so kann es nicht fehlen, daß sie häufig mit leerer Hand zurückkehren. Auch ist es unvermeidlich, daß auf diese Weise sehr vieles verderbt wird, ohne daß es jemanden zu Gute kommt. Ferner hat das Heer seine bestimmten Tagmärsche, welche nicht überschritten werden dürfen; die Einwohner haben daher hinreichend Zeit, alle ihre Habseligkeiten fortzuschaffen. Wenn nur 10 Meilen zwischen zwei Orten liegen, wo es Wasser gibt, dieselben also in einem Tage zurückgelegt werden müssen, so kann die Armee nur mit der größten Vorsicht durch diese unfruchtbare Steppe geführt werden; man muß einige Tage vorher halt machen, um alles gehörig vorzubereiten, und nachher wieder einige Tage liegen bleiben, damit das Heer sich wieder erhole. Stößt man aber auf einen wasserlosen Strich von 20 Meilen, so ist es ganz unmöglich denselben mit einer großen Armee zu passiren, obgleich er einer asiatischen Horde kein Hinderniß des Weiterkommens in den Weg legen würde.

Uns sind Magazine in jenen Gegenden durchaus unentbehrlich, denn von dem, was unsere Heere bedürfen, finden sie im Lande selbst nichts; mit ungeheuern Kosten und zum allergrößten Nachtheile der Kriegsoperationen muß ihnen alles nachgeführt werden. Auf einem Heereszuge gleich dem, von welchen wir reden, würde die Bagage daher vielleicht so groß werden, daß in gewissen Gegenden und unter gewissen Umständen die ganze Armee kaum im Stande wäre, dieselbe zu beschützen. Das Geschütz muß durch unwegsame, bald sandige, bald gebirgige Gegenden geführt werden; Zelte sind unentbehrlich, um die Soldaten gegen den Einfluß des Klimas zu bewahren; Anstalten müssen getroffen werden, um eine ungewöhnlich große Anzahl von Kranken zu transportiren, und dieser Transport geht durch Landstriche, wo kein Wagen fortkommen kann; neue Sprachen, neue Sitten und neue Krankheit bringen unausbleibliche Verwirrung hervor. Wer nie etwas Aehnliches gesehen hat, kann sich keine Vorstellung von den Bedürfnissen machen, welche eine europäische Armee in tropischen Climaten hat, noch kann er mit einiger Sicherheit die Kosten eines Feldzuges berechnen.

Welchen Gegensatz bilden aber zu unseren disciplinirten Armeen jene asiatischen Reiterhorden, die gewöhnlich 6 bis 7 Tage deutsche Meilen täglich zurücklegen, und in wasserarmen Gegenden 8, was gerade noch einmal so viel ist, als eine europäische Armee machen kann, wenn sie 6 bis 7 Tage nach einander marschiren soll. In Gegenden, wo keine Vorräthe zu finden sind, braucht ein asiatisches Heer also auch höchstens halb so viel, als ein europäisches, weil es sich nur die Hälfte der Zeit in denselben aufhält.

Auf der andern Seite ist es in die Augen fallend, daß die gegenwärtige Regierung Indiens, im Fall eines feindlichen Angriffes, einen Widerstand zu bieten vermöchte, wie er von keinem der einheimischen Fürsten früherer Perioden geleistet werden konnte. Es gibt jetzt keine schlechtbefestigte Hauptstadt mehr, die durch einen Ueberfall einzunehmen

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_092.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)