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Das Ausland. 1,2.1828

mit derselben Genauigkeit zu zeigen, daß die andern beiden sich gar nicht passiren lassen.

Wir wollen zuerst die Straße genauer ins Auge fassen, welche Fraser für die bequemste hält. Von Manguschlak am kaspischen Meere nach Khiwa, der Hauptpstadt von Kharisca, sind es gering angeschlagen, drei Karavanen-Tagreisen, und von da bis an den Oxus eine. Nun ist der Oxus schiffbar bis Kilif, bei Balky, und von hier nach Kabul sind es nur noch 50 deutsche Meilen, auf einer Straße die mehrmals von Armeen passirt worden, und die jetzt viel bereist wird. Dieß scheint allerdings eben nicht sehr abschreckend zu seyn.

Zehn Tagreisen für eine Karavane ist nur eine mäßige Entfernung, und man könnte glauben, daß eine Armee diese Strecke in derselben Zeit zurücklegen könnte; dieß ist aber keineswegs der Fall. Die Karavanen reisen in diesen Wildnissen täglich 12 bis 15 Stunden, und legen daher in kurzer Zeit sehr ansehnliche Strecken zurück, was einer einigermaßen bedeutenden Armee sehr beschwerlich fallen würde. Dann ist der Wassermangel auf diesem Wege so groß, daß zahlreiche Karavanen nur im Winter, wenn Schnee liegt, durchdringen können; in dieser Zeit aber ist der Oxus gefroren, und also für den Transport des Heeres nicht zu benutzen.

Ferner haben die Ufer des Oxus wenig, oder gar kein Holz um Schiffe oder Flöße zu bauen, und eine Anzahl Schiffe vom kaspischen Meere her transportiren zu wollen, welche hinreichend wäre, um 80–100,000 Mann, mit dem nöthigen Mundvorrath, Geschütz, Bagage und Munition einzuschiffen, wäre ein Beginnen, welches selbst für Rußland zu ungeheuer wäre. Um aber die Armee selbst längs den Flüssen marschiren zu lassen, und nur die Vorräthe u. s. w. zu Wasser fortzuführen, müßte man erstlich versichert seyn, daß sich immer zu Lande hart am Flusse fortkommen ließe, und ferner, daß man vor Angriffen vom entgegengesetzen Ufer gesichert wäre. Auch ist der Fluß zu seicht, als daß die Schiffe so nahe am Ufer bleiben könnten, um fortwährend unter dem Schutze des Heeres zu seyn. Und endlich ist es noch sehr zweifelhaft, ob der Fluß allenthalben für Schiffe, die mit Geschütz und anderem schweren Geräth beladen sind, fahrbar und der Strom nicht zu stark sey. Wenn nun aber auch alle diese Bedenklichkeiten auf die günstigste Weise gehoben wären, so bleiben doch noch die größten Schwierigkeiten zu besiegen übrig.

Um eine Armee von Manguschlak nach Khiwa zu bringen, wäre eine ungeheure Menge von Kamelen oder andern Lastthieren nöthig, und diese kann man sich dort nicht ohne Beistand der Regierung Khiwa verschaffen. Ist aber wohl daran zu denken, daß diese Regierung, die Rußlands Plane mit so eifersüchtigen Augen ansieht, und die sogar schon einen treulosen Angriff von dieser Macht erfahren hat, sich ruhg einen Durchmarsch gefallen lassen, geschweige denn der Vergrößerung Rußlands noch Vorschub leisten werde? Sobald die Russen sich bei Manguschlak sehen ließen, würde die ganze Gegend in Aufruhr gerathen, alles würde, etwaige innere Zwiste vergessend, gemeinschaftliche Maßregeln für das Gesammtwohl des Staats ergreifen. Man würde die Dörfer verlassen, Weiber, Kinder und Greise zu den Zelten der Stämme, die noch nomadische Lebensart führen, in die Steppen schicken, und alles was Waffen zu tragen fähig wäre, würde in einzelnen Corps herbeieilen, dem Feinde nachziehen, und ihn von allen Seiten beunruhigen. Rußland würde also gleich zu Anfang auf einen starken Widerstand gefaßt seyn müssen, ohne selbst den Feind angreifen zu können, da das Land durchaus unzugänglich ist, außer in der Jahrszeit, wo man nicht wohl einen Feldzug unternehmen kann.

Wir kommen daher auf die natürliche Folgerung, daß Rußland Khiwa werde erobern müssen, ehe es die Invasion von Indien beginnt; und dasselbe gilt aus denselben Gründen von Bochara. Sobald aber einmal Khiwa und Bochara erobert sind (was natürlich nicht in Einem Feldzuge, vielleicht erst nach jahrelangen Kriegen geschehen kann), geht die Invasion von Indien nicht mehr von den Grenzen des jetzigen Rußlands aus, womit also die Voraussetzung unserer Frage aufgehoben wird.

Von der Straße durch Khorasan gilt im Ganzen dasselbe. Die Entfernung von der russischen Grenze bis nach Indien ist zu groß, als daß man sich auf andere Art den Rücken decken könnte, als durch die vorhergängie Unterwerfung der dazwischen liegenden Länder. Jeder Versuch durch Unterhandlungen freien Durchzug zu erlangen, würde durch die gerechten Besorgnisse der Völker und Fürsten vergeblich seyn. Aber selbst angenommen, man erhielte diese Vergünstigung, welcher Feldherr wäre dann so unvorsichtig die Communicationen mit dem Centrum seiner Hülfsmittel blos von der Treue einer Menge unruhiger und aufrührerischer asiatischer Stammhäupter abhängen zu lassen?

(Fortsetzung folgt.)


Egypten unter Mehemed Ali.



(Fortsetzung.)

Die Geschichte Mehemed Ali’s ist so reich an glänzenden Partien, daß nicht leicht der Sterblichen einer zu finden seyn dürfte, dem das Glück freundlicher gelächelt, den der Beifall der Mitwelt jubelnder begrüßt hätte. Wie das Glück auch an ihm seine Launenhaftigkeit bewies, werden wir in der Folge sehen. Nach Bewältigung des finstern Dämons der Zwietracht, der seit Jahrhunderten Unheil brütend auf dem schönen Lande der Pharaonen lag, warf Mehemed Ali den Kriegsmantel von sich; unbekannt mit jener Eifersucht, die im Oriente so häufig königliche Väter bewegt, ihre präsumtiven Nachfolger von den Geschäften entfernt zu halten, schien er gerne die noch zu erkämpfenden Lorbeere seinen tapfern Söhnen zu überlassen, sich selbst den edleren und bleibenderen Ruhm des weisen Gesetzgebers und Regenten vorbehaltend. Kaum sechszehn

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_096.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)