Seite:Das Ausland (1828) 100.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

die Augen dagegen zu schließen. Doch, wenn zu dem Anblicke die erstarrende Wirkung des vielfachen ungeheuren und fürchterlichen Getöses hinzukommt – das Donnern und Stöhnen und Aechzen und Stürmen, der ungeheure Kampf der gewaltigen Thätigkeit im Innern – als Ganzes, ist es entsetzlich! – Einer von uns, der den Rand erreicht hatte, schauderte zurück, und bedeckte sein Gesicht, indem er ausrufe: „Nennt es Schwäche, oder wie ihr wollt, ich kann nicht wieder hinsehen!“ –

Aus dem bereits Gesagten wird man gesehen haben, daß dieser Vulkan von den meisten andern uns bekannten wesentlich verschieden ist. Der Krater desselben ist nicht der geöffnete Gipfel eines Berges, der in einiger Entfernung nach allen Richtungen sichtbar wäre; sondern vielmehr ein ungeheurer Schlund in einem Hochlande am Fuße des Berges Mouna Roa[1], ein Abgrund, zu dem man gelangt, indem man zwei große Terrassen hinab steigt, und der von keiner Seite her weiter als eine halbe Meile weit sichtbar ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der Vulkan ursprünglich in einem Kegel bestand, und seine jetzige Gestalt, vielleicht vor Jahrhunderten durch ein Zusammenstürzen des ganzen Gipfels erhielt. Die Hälfte der gegenwärtigen Tiefe des Kraters ist vor nicht gar langer Zeit auf dieselbe Weise gebildet worden; hiervon geben die Fels-Wände, die wir hinabsteigen mußten, einen deutlichen Beweis. Gegen die Mitte der Höhe, vom Gipfel herab, erstreckt sich rund herum (wenigstens so weit unsre Untersuchung ging) ein erhöhter Lava-Rand, an manchen Stellen mehrere Ruthen, an andern nur einige Fuß breit, und bildet so eine Art Gallerie, welche man an mehreren Punkten besteigen und darauf herumgehen kann, soweit es der sich in Süden ansammelnde Rauch erlaubt. Dieser Rand zeigt deutliche Spuren, daß er sich früher mit den Feuerströmen, die jetzt in der Tiefe wogen, auf gleicher Höhe befand; eine unterirdische Ableitung der Lava hat seitdem stattgefunden, und der Kessel ist mehrere hundert Fuß tief eingesunken.

Der Abgrund enthält fünfzig bis sechszig kleinere kegelförmige Krater, von denen mehrere in beständiger Thätigkeit sind; die Gipfel und Seitenwände von zweien oder dreien derselben sind mit Schwefel von verschiedenen Schattirungen von Grün und Gelb bedeckt. Außer diesem ist der hervorstehende Lavarand selbst, und alles, was sich unterhalb desselben befindet, schwarz. Die Felsen über dem Rande, welche die äußerste Umgebung des Kraters bilden, sind auf der Nord- und Westseite vollkommen senkrecht, roth von Farbe, und zeigen überall die Spuren früherer gewaltiger Erhitzung; die auf der östlichen Seite sind weniger steil, und bestehen gänzlich aus Schwefellagern von einem reinen und schönen Gelb. Der südliche Abhang war von dem Rauche verdunkelt, der beständig diesen Theil des Kraters erfüllt, und sich weit über den umgebenden Horizont verbreitet.

Als die Dunkelheit der Nacht eintrat, nahm die Scene einen neuen, aber nicht weniger erhabenen Charakter an. Ein Feuer nach dem andern, welches die Helle des Mittags unbemerkbar gemacht hatte, begann mit den ersten Schatten des Abends aufzugehen, und bei zunehmender Finsterniß erschenen sie in so eiliger Folge, daß man kaum Zeit hatte, die schnell aufleuchtende Reihe mit den Blicken zu verfolgen. Zwei oder drei der kleinen Krater auf der Nordseite, wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten, waren in voller Thätigkeit, und warfen mit fast ununterbrochenem Donner fortwährend Steine, Rauch und Lava aus; Flammen, welche diese begleiteten, leuchteten in die Nacht hinein, erhellten den steilen Felsenrand und die Rauchsäulen am südlichen Ende, und warfen zuweilen einen glänzenden Widerschein auf eine vorüberziehende Wolke. Der Hauptpunkt der Thätigkeit schien indessen am südlichen und westlichen Ende zu seyn, wo sich dem Auge ein immer wechselndes Feuerwerk darbot, das an Schönheit und Erhabenheit alles übertraf, was die Kunst jemals ersinnen konnte. Ströme von Feuer floßen, Funken sprühend, zwischen den Kratern herum, und auf einer Seite wogte ein ganzer See, dessen Oberfläche flammte und sprühte.

Obgleich sehr ermüdet von unserm Wege, war es doch beinahe Mitternacht, ehe wir uns dem Schlaf überlassen konnten, den wir oft unterbrachen, um mit neuem Staunen die wundervolle Scene zu betrachten.

(Fortsetzung folgt.)


Von dem muthmaßlichen Erfolge einer Invasion in Indien.

(Blackwoods Magazine).

(Fortsetzung.)

Welchen Weg man auch wählen mag, so muß eine Armee von der russischen Grenze bis zu den brittischen Besitzungen, wenn man die unvermeidlichen Umwege einrechnet, doch wenigstens 400 geogr. Meilen machen; ohne außerordentliche Unglücksfälle und Hindernisse, erforderte der Marsch daher 8 bis 10 Monate. Während dieser ganzen Zeit hätte die Armee nicht nur mit dem Clima, mit Krankheiten, immerwährender Anstrengung und einer unregelmäßigen Kost zu kämpfen, sondern der größte Theil des Marsches würde noch, durch Schwärme leichter Reiterei, die nur mit offenbarem Vortheil angreifen, das Heer aber immer im Schach halten, und täglich, durch das Abschneiden von Fourrageurs und Marodeurs und die Plünderung der Bagage, die Armee schwächen, aufs äußerste beunruhigt werden. Man wird mir vielleicht einwenden, Rußland könne sich die Freundschaft dieser Stämme erkaufen, oder sie durch Furcht im Zaume halten. Aber auf wie viele Stämme soll sich das Erkaufen der Freundschaft erstrecken? Wie weit soll man dasselbe nach beiden

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_100.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)
  1. Nach verschiedenen Schätzungen 16,000 bis 18,000 Fuß hoch, also 1000 oder 2000 Fuß höher als der Mont Blanc.