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Das Ausland. 1,2.1828

solcher Prozesse entstand. Ein einziges Beispiel mag hier, statt vieler, die wir anführen könnten, zur Bestätigung des eben Gesagten dienen. Vor dem Tribunale der Zuchtpolizei zu Poitiers wurde im vorigen Jahre ein Schuster, Namens Chebret, der Schmähung gegen die religiöse Moral angeklagt. Die nähere Bewandniß der Sache erhellet aus dem Urtheilsspruche selbst, dessen Anführung wir uns allein erlauben, weil er der offizielle Ausspruch einer konstituirten Behörde ist.

Dieses Urtheil lautet wörtlich, wie folgt:

„In Betracht, daß Chebret vor dem Tribunale angeklagt ist, sich eine öffentliche Schmähung gegen die religiöse Moral erlaubt zu haben, indem er den 13. Mai d. J. auf dem öffentlichen Platze zu Neuville vor einer großen Menge von Menschen ausrief: „sagt mir nichts von eurem Jesus Christus; es ist mir, wie wenn man mir den Rücken zerbläute, wenn ich von einem Beichtstuhle höre. Dieser Jesus Christus war nichts weiter als der Sohn eines Schuhflickers;

in Betracht, daß die Zeugenaussagen die Wahrheit des Geschehenen zwar bestätigen, es sich aber aus der Verhandlung ergibt, daß der Angeschuldigte diese Worte nur im Verlaufe eines Gesprächs mit dem Huissier Girault über eine ihn betreffende Amtshandung desselben vorbrachte;

in Betracht, daß sich ferner aus den Verhandlungen ergibt, daß er nicht eine Lehre aufstellen, und vor einer herbeigerufenen Menge von Menschen gleichsam predigen wollte, sondern sie ganz einfach der Person zur Antwort gabe, mit welcher er sprach und die zuerst den Namen Jesu Christi ins Gespräch zog, indem sie Chebret zum Vorwurfe machte, in Gleichnissen zu sprechen, wie Jesus Christus;

in Betracht, daß alles, was Chebret sagte, unter den obwaltenden Umständen zwar der Frömmigkeit und der Hochachtung zuwiderläuft, mit welcher alle Christen den Namen der Gottheit aussprechen sollen: daß aber eine solche Aeußerung Chebret’s gegen den Huissier Girault nicht die Eigenschaft einer öffentlichen Schmähung gegen die religiöse Moral hat, wie sie der Art. 8 des Gesetzes vom 17. Mai 1819 zur Begründung eines Vergehens fordert;

in Betracht, daß der Richter deßhalb, obgleich er ein solches Betragen des Angeschuldigten im höchsten Grade tadeln muß, keine Strafe auf eine Aeußerung erkennen kann, welche nach den Worten des gegen ihn angeführten Gesetzes kein Vergehen begründet:

so spricht das Tribunal Chebret kostenfrei von der Klage los.“

Noch an demselben Tage legte der Prokurator des Königs gegen dieses Urtheil Appellation ein.

Den 11. August v. J. wurde die Sache vor dem k. Gerichtshof zu Poitiers gebracht, wo sie bei verschlossenen Thüren verhandelt wurde.

Die Appellation wurde verworfen und das Urtheil erster Instanz bestätigt.

So sind die Früchte eines Gesetzes beschaffen, welches angeblich die Religiosität begründen soll, aber seiner Natur nach nur Aergerniß geben kann, und daher auch außerhalb Frankreich Bedauern, wenn nicht Unwillen und Verachtung erregen muß.



Das Kloster der Armenier in Venedig.


(Fortsetzung.)


Sie beschlossen jetzt, nachdem sie sich in Sicherheit sahen, ein Kloster zu stiften, wozu sie, ohne Schwierigkeit, die Erlaubniß der Regierung erhielten. Diese wies ihnen einen Platz in Modon zur Errichtung eines Konvents und einer Kirche an, und die Einkünfte zweier benachbarten Dörfer zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes. Nach vielen Entbehrungen war im J. 1708 Kirche und Kloster vollendet. Der Pabst Clemens XI ertheilte der Kongregation, welche die Regel des heiligen Benediktus angenommen hatte, seine Bestätigung und ernannte Mechitar zum Abte. Zwölf Jahre lang, seit seiner ersten Ankunft in Morea, war sein Werk über alle Erwartung gediehen, als der Krieg zwischen den Türken und Venetianern ausbrach, und die ersteren mit großer Uebermacht in Morea eindrangen. Um sich nicht den Gefahren der Gefangenschaft auszusetzen, verließ er seine blühende Niederlassung, und kam im April 1715 mit eilf der Seinigen in Venedig an, wo er den Ausgang des Krieges erwarten wollte. Aber nach vier Monaten erhielt er die traurige Nachricht der Einnahme von ganz Morea, von dem Verlust von Modon und der Gefangenschaft mehrerer seiner Schüler, die nach Constantinopel geführt, dort jedoch von Christen losgekauft wurden, und daher bald in seine Arme zurückkehrten.

Da jetzt alle Hoffnung nach Modon zurückzukehren aufgegeben werden mußte, so kam Mechitar mit den Seinen überein in Venedig zu bleiben.

Ein Gesetz verbot die Errichtung neuer Klöster in der Stadt, doch wurde ihnen in der Nähe derselben, im September 1717, die kleine Insel San Lazzaro zu beständigem Eigenthum eingeräumt.

Auf dieser Insel hatte im Jahr 1180 Lione Paolini ein Hospital für Aussätzige errichtet; und nachdem diese Krankheit aufgehört hatte sich zu zeigen, war dasselbe zur Aufnahme von hülfsbedürftigen Armen bestimmt worden. Mechitar fand auf derselben nichts als eine alte Kirche, wenige verlassene Zimmer und einen Garten.

(Schluß folgt.)


In der gestrigen Nummer dieses Blattes blieben durch ein Versehen mehrere sinnentstellende Druckfehler stehen:

In dem Aufsatze über Egypten l. statt Schluß - Fortsetzung.

Seite 87 Sp. 2 Z. 23 statt bona l. buona.
Seite 87 Sp. 2 Z. 29 statt die l. auf.
Seite 87 Sp. 2 Z. 30 statt auf l. die.
Seite 87 Sp. 2 Z. 35 statt feine l. seine.
Seite 88 Sp. 1 Z. 8 v. u. statt Gewß l. Gewiß,
Seite 88 Sp. 2 Z. 2 v. o. statt indocenten l. indolenten.
Seite 88 Sp. 2 Z. 11 statt Delawar l. Delaware.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_102.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)