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Das Ausland. 1,2.1828

sprach der Redner zum Lobe seines Vorgängers, des verstorbenen Laplace. Da des Herrn Daru Vortrag über diesen Heros der Wissenschaft für deutsche Leser anziehender seyn dürfte, so übergehen wir die correspondirenden Stellen in der Rede des Herrn Royer-Collard und beschränken uns auf den universellen Theil derselben. Diese Rede, im Tempel der Wissenschaften, vor ihrem Altar gesprochen, konnte nicht verfehlen, unter den Zuhörern, unter Allen, welche in Europa diese Rede lasen, die tröstende Ueberzeugung zu verbreiten, daß die Freiheit in den Geistern lebt, daß dadurch die Fortschritte der Gesellschaft, wie jene der Wissenschaften, gesichert sind, und daß alle Versuche des Aberglaubens und einer sittenverderbenden Heuchelei, als unmächtige Anstrengungen einer Sekte von Pygmäen gegen die Riesenkraft einer zum Bewußtseyn erwachten Zeit, nicht gefürchtet werden dürfen.

(Fortsetzung folgt.)


Ein Besuch bei dem Krater des großen Vulkans von Kirauea.

Von Charles Stewart, Missionär auf Hawaii (Owaihi).

(Beschluß.)


Wir befanden uns nun in einer nur unbeträchtlichen Entfernung von einem der größten kegelförmigen Krater, dessen Thätigkeit während der vergangenen Nacht einen so großen Eindruck auf uns gemacht hatte, und eilten ihn näher zu untersuchen; eine so wunderbare Erscheinung kann sich nie wieder unsern Blicken darbieten. Wir schätzten ihn in der Nähe auf 150 Fuß – ein ungeheurer, unregelmäßig gebildeter umgestürzter Trichter von Lava, voll Spalten und Oeffnungen, aus denen große Dampfmassen mit betäubenden Explosionen hervorbrachen, während er mit gleicher Gewalt bleiche Flammen, Asche, Steine und Lava aus seinem zerrissenen Schlunde auswarf. Lord Byron[1] stieg mit seinem Diener den Kegel einige Fuß hinauf, fand indessen die Hitze zu groß, um länger verweilen zu können als nöthig war, einige Stücke neuer, brennendheißer Lava abzuschlagen.

So groß war die Bewunderung, die uns diese Scene abnöthigte, daß wir die Gefahr vergaßen, der wir ausgesetzt waren, wenn eine Veränderung in der Richtung der Dampfströme eintrat, die stärker oder schwächer aus allen Theilen des Kraters aufstiegen, bis Mr. Davis uns darauf aufmerksam machte, daß das Einathmen der Luft, von welcher wir leicht umgeben werden konnten, uns allen tödtlich seyn würde. Wir unterdrückten deshalb unsern Wunsch, einen nicht weit entfernten ähnlichen Kegel, der mit einer schönen Schwefelinkrustation bedeckt war, zu besuchen, und traten auf das eiligste unsern Rückweg von einem so gefährlichen Orte an. Das Hinaufsteigen bis zum Rand war nicht weniger schwierig, als das Herabsteigen, und die letzte kurze Strecke, die wir erklimmen mußten, fast senkrecht; doch gelang es uns allen, wohlbehalten die Höhe zu erreichen.

Wir langten gegen zwei Uhr bei unserer Hütte an, erschöpft von Ermüdung, Hunger und Durst; doch hatten wir alle Ursache, uns Glück zu wünschen, indem wir uns der größten Gefahr, und vielleicht dem Tode entrissen sahen. Wir bemerkten nämlich, daß sich der ganze Schlund mit dickem Schwefeldampf zu füllen begann, und nach Verlauf einer halben Stunde hatte sich derselbe so darin angehäuft, daß nicht ein einziger Gegenstand mehr unter uns sichtbar war. Selbst auf der freien Höhe wurde die Luft so drückend, daß wir ernstlich an eine schleunige Entfernung dachten. Dieß währte den größten Theil des Nachmittags. Darauf trat todte Stille innerhalb und ausserhalb des Kraters ein; und der Vulkan schien von seiner Thätigkeit auszuruhen.

Die glänzende Illumination vom vergangenen Abend gewährte uns auch an diesem, zwei bis drei Stunden lang, durch ihre Schönheit einen erneuten Genuß, worauf uns endlich die Ermüdung des Vormittags einige Ruhe wünschenswerth machte. Doch kaum hatte das Geschwätz der Insulaner um uns her lange genug geschwiegen, um uns einschlafen zu lassen, als der Vulkan mit verdoppelter Thätigkeit zu toben anfing. Zu allem, was wir schon vorher gehört hatten, kam besonders noch ein unwilliges Murren, und Dröhnen, wie aus den innersten Eingeweiden des Abgrundes, in Zwischenräumen von einer Bewegung begleitet, gleich den verzweifelten Anstrengungen einer riesenhaften Kraft, die sich zu befreien strebt. Diese Töne waren nicht an eine bestimmte Stelle gebunden, sondern rollten von dem einen Ende des Kraters zu dem andern; zuweilen schienen sie unmittelbar unter uns zu seyn, wo wir dann deutlich den Boden unter uns zittern fühlten, und eilten hierauf mit unbegreiflicher Schnelligkeit zum fernsten Ende. Die ganze Luft war mit dem Getös erfüllt, und selbst die, welche im festesten Schlafe lagen, wurden dadurch schnell vollkommen wach. Lord Byron sprang von seinem Lager auf und rief; „Wir werden sicher eine Eruption bekommen – eine solche Gewalt muß alles durchbrechen.“ Kaum hatte er gesprochen, als wir gerade vor uns eine dicke schwarze Rauchsäule aufsteigen sahen; zugleich verstummte der unterirdische Kampf, und unmittelbar darauf brachen Flammen aus einem großen Kegel, in dessen Nähe wir uns diesen Morgen befunden hatten und welcher lange in Ruhe gewesen zu seyn schien. Rothglühende Steine, verkohlte Massen und Asche wurden mit Heftigkeit zu einer bedeutenden Höhe empor geschleudert, und kurz darauf kochte die geschmolzende Lava über und floß in zwei sich schlängelnden Strömen mit unbeschreiblichem Glanze die Wände des Kegels hinab, und über die ihn umgehenden Schlacken hin.

An einer entfernteren Stelle eröffnete sich ein ganzer Feuer-See. Dieser mußte wenigstens zwei Meilen im Umkreis haben; seine Bewegung war furchtbarer erhaben, als die kühnste Phantasie sich die Hölle selbst hätte denken können. Woge nach Woge thürmten sich ihre gewaltigen Massen auf; und zuweilen stießen sie, von entgegengesetzten

  1. Nicht der Dichter, sondern der Reisende, ein Neffe von jenem.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_109.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)