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Das Ausland. 1,2.1828

Art erschöpft waren, ließ seine Armee ihren Rückzug auf Medina beschleunigen, und er selbst widmete sich nun ganz den Pflichten seiner Religion. Seine wiederholte Andacht am Grabe des Propheten, seine Wallfahrt nach Mekka, sein großes Opfer auf dem Berge Arafât, wo er 3000 Schafe schlachtete, die er, im Fall seiner Rückkehr als Sieger, vor dem Feldzuge gelobt hatte. Alles dieß und so vieles Andere zu erwähnen, hätte für uns keinen Werth, wenn nicht die Rolle, welche Ibrahim in Morea spielt und gespielt hat, den Ereignissen auch seines frühern Lebens ein gewisses fortdauerndes Interesse gäbe.

(Fortsetzung folgt.)


Von dem muthmaßlichen Erfolge einer Invasion in Indien.

(Blackwoods Magazine.)

(Fortsetzung.)

Wir können nach dem Bisherigen dreist behaupten, daß Rußland in seiner jetzigen Lage nie eine Invasion von Indien unternehmen wird, und daß, wenn es dennoch den Versuch machen sollte, die englischen Besitzungen nichts dabei zu fürchten hätten. Aber Rußland kann ein anderes System befolgen, welches den Engländern weit gefährlicher ist, und dieses scheint es wirklich mit Festigkeit durchsetzen zu wollen. Das was es Rußland unmöglich macht in seiner jetzigen Lage die englischen Besitzungen in Indien zu bedrohen, liegt hauptsächlich in der gewaltigen Entfernung vom beabsichtigten Kriegsschauplatz, und das einzige Mittel, wodurch es diese Schwierigkeit heben kann, ist seine Vergrößerung nach dieser Seite zu, sey es nun, daß es die mittelasiatischen Länder mit seinem Reiche vereinige, oder die kleinen Häuptlinge zwinge, seine Oberherrlichkeit anzuerkennen. Es gibt nur zwei Directionen, in welchen es sich auf diese Weise den indischen Grenzen nähern kann. Es scheint uns nicht unwichtig zu seyn, beide in Rücksicht der Leichtigkeit, womit in dieser oder jener Richtung die Vergrößerung sich bewerkstelligen ließ, miteinander zu vergleichen. Die Länder, welche zwischen Rußland und Indien liegen, bezeichnet man mit dem allgemeinen Namen des innern Asiens und versteht darunter Persien, Khiwa oder Kharism, Bochara und Kabul, außer vielen andern Landstrichen, die keine allgemeine Oberherrschaft anerkennen, und häufig Stämmen angehören, die nicht einmal einen Häuptling haben. Rußland könnte nur seine Grenzen bis nach Indien erweitern, entweder durch die Unterjochung von Persien, oder durch die Eroberung von Kharism und Bochara.

Mit einer hinlänglich starken Armee auf einem andern Wege, als durch Kharism nach Bochara einzudringen, ist nicht wohl thunlich, wenn man den Berichten trauen darf, welche die Mitglieder der russischen Mission zu Bochara haben bekannt machen lassen. Eine Armee durch Kharism zu führen, und sich die Communication mit dem kaspischen Meere offen zu halten, setzt aber, wie wir oben gezeigt haben, voraus, daß dieses Land zuvor erobert sey. Obgleich dies für Rußlands Macht nicht unmöglich ist, so hat es doch seine Schwierigkeit, und möchte lange Zeit fordern. Eine große Armee würde vor Hunger umkommen; eine kleine erreicht ihren Zweck nichte: sie kann das Land in tausend Richtungen durchkreuzen, ohne deshalb in der Unterwerfung des Volks Fortschritte zu machen.

Im Allgemeinen scheint eine wahre Unterjochung der asiatischen Stämme nur dadurch möglich zu seyn, daß man sie an feste Sitze gewöhnt nd ihrer nomadischen Lebensart entzieht. Nomaden leiden wenig von einem feindlichen Einfall; sie ziehen mit ihren Heerden in Wildnisse, die nur ihnen zugänglich sind, und leben dort vor jedem Angriff gesichert. Sie haben keinen Besitz zu verlieren, keine Häuser und Dörfer zu verlassen, keine Saaten und keine Erndten Preis zu geben. Ihr Land bringt nichts hervor, wovon der Feind sich erhalten könnte, und dieser schließt nur aus den einzelnen Reiterhaufen, die vor ihm vorbeifliegen, und von denen er weder weiß, woher sie kommen, noch wohin sie gehen, daß das Land bewohnt sey. So ist die Unabhängigkeit der Araber einzig und allein ihrer herumirrenden Lebensart zuzuschreiben, denn die Stämme, welche dieses aufgaben, verloren auch jene. Dasselbe gilt von den Tataren und sehr vielen kleinern Stämmen in Mittelasien. Diejenigen von ihnen, welche unterjocht sind, wählten sich immer schon vorher feste Wohnsitze und Grundeigenthum, gleichsam als die Pfänder, welche den Oberherren für ihre Unterwerfung bürgen. Freilich ist es nicht zu läugnen, daß von den Einwohnern eines Landes, jene welche am meisten zu verlieren haben, in der Regel auch am meisten zur Vertheidigung desselben aufbieten werden; aber wo die Macht fehlt, hilft keine Kraftanstrengung, und jeder unglückliche Empörungs-Versuch, ist nichts als eine ehrenvolle Annäherung zur völligen Unterwerfung. Sind ein oder zwei solcher Versuche gemacht, und gänzlich fehlgeschlagen, so wird der Geist der Freiheit gebrochen werden, und die Hoffnung, sich sein Eigenthum zu erhalten, wird den Ackerbauer mit dem Wechsel der Oberherren versöhnen, und ihn bewegen, sich einem Feinde zu unterwerfen, dem er weder widerstehen noch entfliehen kann. Da nun in Asien die einzige Regierungsform, welche man kennt, die despotische ist; so findet der Angreifer in der Person des Despoten einen festen Punkt, gegen den er alle seine Operationen richten kann, welches bei nomadisirenden Völkern nicht der Fall ist.

Aus allem diesem folgt, daß Rußland besser thut, Landstriche zu vermeiden, deren Einwohner noch keine festen Wohnsitze haben, was wenigstens bei drei Viertheilen der Bevölkerung von Kharism der Fall ist. Es wird daher seine nächsten Wünsche nicht auf Bochara richten, dessen Eroberung um so schwieriger erscheinen muß, wenn man sich erinnert, wie schwer schon die Unterjochung der verschiedenen Stämme des Kaukasus und der großen Ebene zwischen diesem Gebirge und dem Terek und Kuban geworden ist. Die Einwohner von Bochara sind überdieß auch ihres religiösen Fanatismus wegen sprichwörtlich geworden, und es müßte daher erst eine moralische Revolution im Charakter der Usbeken und Turkomanen vorgehen, ehe sie europäischen Gesetzen und einer europäischen Regierung unterworfen werden könnten.

Rußland grenzt dagegen an ein anderes Land, welches ihm viel leichter zu besiegen seyn muß. Dieses Land

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_113.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)