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Das Ausland. 1,2.1828

Zufriedenheit bekümmere, daß er ihnen die öffentlichen Lasten zu erleichtern suche, daß er sich für die Aufrechthaltung der Gesetze, und die Unparteilichkeit der Rechtspflege bemühe, daß er selbst sich der Ungerechtigkeit enthalte, seiner eigenen Willkühr, Habsucht und Grausamkeit Schranken setze; aber der Mangel einer Gesundheitspolizei in Egyten ist ein Vorwurf gegen die Regierung Mehemed Ali’s, den wir nicht übergehen können. Ein Drittel aller Kinder stirbt an Pocken; warum wird die Impfung nicht eingeführt? Fast jedes Jahr richtet die Pest ihre Verwüstungen an; warum denkt man nicht an Mittel dieses Uebel durch Hinwegnahme seiner Hauptursachen zu vernichten? So ist in Kairo das Judenquartier ein Kloak, worin die Pest gewöhnlich zuerst ausbricht; um die Dörfer herum bilden sich durch das Austreten des Nils Sümpfe, welche die Atmosphäre vergiften. Eine ähnliche Bewandniß hat es mit der Art, wie man die Todten neben den Wohnungen der Lebenden begräbt, indem man vielleicht kaum ein paar Händevoll Erde auf sie wirft, so daß sie oft von Hunden und Raubthieren wieder ausgescharrt werden; die Hütten der Landbewohner sind feuchte und dumpfe Löcher, in welche keine frische Luft kömmt; – sollten, fragen wir, diese und andere Dinge sich nicht eignen, die Aufmerksamkeit einer weisen Regierung eine Zeitlang zu beschäftigen, da die Abhülfe solcher Uebelstände wenigstens ein Mittel wäre, die Bevölkerung auf ihrem gegewärtigen Stande zu erhalten? Ohnehin wird man auf Vermehrung derselben durch freiwillige Ansiedlungen von Einwanderern bei dem gegenwärtigen Systeme nicht rechnen dürfen; die gewaltsamen Ansiedelungen von Negern, die man aus dem innern Afrika geraubt, und nach Oberegypten versetzt hat, konnten zu keinem Resultat führen, da die meisten durch Mißhandlungen, Hunger und Elend umkamen.

Wir haben noch einiger Klassen der Einwohnerschaft Egyptens Erwähnung zu thun: der Armenier in Egypten, seit der türkischen Eroberung (1517), ungefähr 2000 an Zahl; der griechischen Katholiken, aus Syrien abstammend, ungefähr 4000; der schismatischen Griechen, meist Abkömmlinge älterer Kolonien, (sie sprechen arabisch), ungefähr 5000; der Kopten, worunter 5000 vom römisch-katholischen Ritus, 160,000 mit einem Patriarchen, 100 Kirchen und 20 Klöstern; der Juden, nur in Kairo und Alexandria 3500; endlich der Franken, deren sich in Kairo und Bulâk 400, in Alexandria 800 befinden. Die egyptischen Christen, mit Ausnahme der Kopten, und die Juden leben als Kaufleute und Handwerker, nur in den Städten, wo sie theils eigene Quartiere bewohnen, theils ihren Aufenthalt nach Belieben wählen. Früher, da sie den Großhandel in Händen hatten, besaßen manche von ihnen große Reichthümer; jetzt müssen sie sich mit dem Kleinhandel und einigen Zweigen der Industrie begnügen, die dem Monopolisten Mehemed Ali entgangen sind. In Bezug auf die Religion werden sie nicht angefochten, und überhaupt mit den Mahommedanern ziemlich auf gleichem Fuße behandelt; denn Rajas im türkischen Sinne giebt es in Egypten nicht. Die Kopten, nach ihren Gesichtszügen die Nachkommen der alten Egyptier, beschäftigen sich, wie die Fellahs, mit dem Ackerbau, wenige ausgenommen, welche Gewerbe treiben. Sie genossen unter der Herrschaft der Mamelukken mancherlei Vorzüge, die sie unter dem Gleichheitsprinzip des jetzigen Despotismus größten Theils verloren haben; doch behaupten sie noch immer mit großer Anhänglichkeit gewisse nationale Einrichtungen, welche die Regierung nicht antastet. Wichtige Männer in Egypten sind die Franken, theils als Handelsfreunde des Veziers, theils als Vorsteher seiner Institute und Verkündiger seines Ruhms in Europa, daher man sie häufig im Palaste der Finanzverwaltung, welcher die Stelle der Börse vertritt, den Agenten des königlichen Alleinhändlers aufwarten sieht. Die Türken, welche den eigennützigen Grund ihrer Dienstbeflissenheit zu würdigen wissen, behandeln sie eben nicht immer mit der schuldigen Auszeichnung. Indessen leben sie hier wie in der ganzen Levante als eine Art Kolonie unter der Autorität der Konsuln ihrer Nationen und unter den Gesetzen des Mutterlandes; sie zahlen der egyptischen Regierung keine Abgaben. Lange Zeit, (seit Colbert’s Ministerium) waren die Franzosen[1] nebst einigen Venetianern die einzigen europäischen Kaufleute in Egypten; seit Anfang des jetzigen Jahrhunderts nahmen die Engländer am dortigen Handel Theil. Die Leichtigkeit, womit Mehemed Ali auf Credit verkauft, hat Leute aus allen Nationen, darunter auch manche bloße Glücksritter, dahin gezogen, deren Betragen eben nicht geeignet war, die Achtung gegen den Namen des Europäers zu vermehren. Dennoch dürfen die Franken, unter allen Umständen, auf eine gewisse Freundschaft des Veziers rechnen; er ist zu klug, um seine für ihn so vortheilhaften Handels-Verbindungen mit Europa abzubrechen, deren Aufhören einen bedeutenden Ausfall in seinen jährlichen Einnahmen zur Folge haben würde. Ein Beweis, wie sehr er sich von der Wichtigkeit dieses Verkehrs überzeugt hat, ist der Mahmudyehkanal, [2], den er, um die Getreideausfuhr aus dem Innern des Landes nach Alexandria zu erleichtern, mit so ungeheuern Kosten bauen ließ. Das Theurungsjahr 1816/17, in welchem die Nachfrage nach egyptischem Getreide sehr stark war, gab die erste Idee zu diesem Unternehmen, das in der unglaublich kurzen Zeit von ungefähr 3 Jahren vollendet wurde. Durch die Nachläßigkeit der Landbewohner, denen die Erhaltung der Kanäle (mit Ausnahme der größern) obliegt, waren viele nach und nach verschlammt: so war es namentlich mit der unter dem Namen des Bogâz von Rosette bekannten Nilstraße der Fall, welche theils durch Wassermangel, theils durch den Einfluß der Ebbe

  1. Zu Alexandria gibt es 3 französische Häuser, 2 englische, 1 maltesisches, 4 toscanische, 4 venetianische, 1 deutsches, zu Kairo 3 französische Faktoreien, 1 englisches Haus, 4 toscanische, 2 venetianische und 2 österreichische.
  2. Girol. Segato e Lorenzo Massi, saggi pittorici, geografici, statistici, idrografici, catastali sull’ Egitto. Firenze 1827. Caillaud Voyage à Meroë etc. Tom I. Chap. XVII.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_129.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)