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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 31. 31. Januar 1828.

Der Maler David.


(Schluß.)

Noch auf Befehl Ludwigs XVI (sonderbar genug) hatte David das Gemälde seines republikanischen Tugendstolzes, dem er selbst einige Jahre später so leidenschaftlich persönlich huldigte, in dem ältern Brutus ausgeführt, der an seinen eigenen Söhnen den Vaterlandsverrath mit dem Tode straft. Aber bald sollte ihm die Gegenwart den reichsten Stoff darbieten. Sein wichtigstes Werk aus der Revolutionszeit ist der Schwur im Ballhause zu Versailles. Die Scene vom 20. Junius 1790. Die Nationalversammlung hatte ihren Sitzungssaal verschlossen gefunden; nach einigem Umherirren in den Straßen begaben sich die Deputirten in das Ballhaus und legten den Schwur ab, sich nicht eher zu trennen, als bis sie Frankreich eine Verfassung gegeben hätten. Der Künstler faßt den Augenblick des Schwurs auf. Alle Personen haben den Ausdruck der tiefsten Bewegung; auf jedem Gesicht liest man die Seele des Schwörenden, die Wahrheit seines Gelübdes, seine Begeisterung: die ganze Versammlung ist ein Herz und eine Seele. Bailly, der ihnen den Eid vorspricht, hat eine ganz ruhige Haltung; aber es liegt etwas ungemein Edles in seinen Zügen: man erkennt den Mann von Genie, dem es gelungen ist, durchzudringen. Durch den Vorhang eines Fensters, welches der Wind aufwirft, sieht man den Himmel, der mit Gewitterwolken bedeckt ist; eine Wolke öffnet sich und Blitz schlägt in die königliche Schloßkapelle. Der tief tragische Sinn dieser Scene ist mit ein Beweis, theils wie David’s ahnender Geist den Begebenheiten vorauseilte, theils wie das Große und Ernste das Feld war, worauf er am liebsten verweilt, mochte der Gegenstand seiner Compositionen ein moderner oder ein antiker seyn. In seiner Vorliebe für das Antike, Große blieb er sich stets treu und so wird es uns auch begreiflich, wie er sich naturgewaltig zu einem Mann hingezogen fühlen mußte, dessen Charakter, Leben und Schicksal ihm so viele antike Gesichtspunkte darbot. In seinem Raub der Sabinerinnen hatte er Romulus gemalt, den stolzen Göttersohn, den Gesetzgeber der weltbeherrschenden Stadt, den siegesfrohen Helden. Wie hätte er sich bedenken können, nach dem Frieden von Campo Formio den Wunsch des französischen Feldherrn, eines Collegen im Institute, zu erfüllen, der von ihm gemalt seyn wollte. „Ich werde Sie malen,“ sagte David, „den Degen in der Hand, auf dem Schlachtfeld.“ „Nein,“ erwiederte Bonaparte, „es ist nicht der Degen, mit welchem man Schlachten gewinnt; ich will gemalt seyn, ruhig auf einem wilden Pferd.“ So malte ihn auch David, wie er den Bernhard ersteigt; in einen Felsen eingegraben liest man die Namen: Hannibal und Karl der Große; die Geschichte ist beschäftigt, den Namen des Siegers von Europa einzugraben. – Der antike Geist Bonapartes war nicht der des Malers. Beide hatten nichts von moderner Schwäche, nichts von französischer Leichtfertigkeit an sich; in ihrem kühnen, treffenden, gedrängten Ausdruck lag etwas, was die Originalität ihres Geistes, in ihrem Benehmen etwas, was die Kraft ihres Charakters, in des einen Thaten und in des andern Werken, was eine edle, großartige Gesinnung verrieth. Aber der Feldherr war mehr Römer, der Maler mehr Grieche. Das stolze Selbstgefühl des persönlichen Ruhms mit Triumphwagen, Trophäen und Fascen ging Bonaparte über alles; David hätte sich mit dem einfachen Bürgerkranze begnügt, und liebte in dem Helden von Marengo den Ruhm seines Vaterlands. Die später aufgeworfene Frage, ob Frankreich mehr Bonaparte, oder Bonaparte mehr Frankreich schuldig sey, hatte für David keinen Sinn; er konnte beide nur vereint denken. Gewiß aber war Bonaparte kein so Begeisterter, daß es nicht Augenblicke geben konnte, wo er diese Frage zu seinen Gunsten beantwortet hätte.

„Was machen Sie gegenwärtig?“ fragte der erste Consul. „Ich arbeite an der Schlacht bei den Thermopylen.“ „Schlimm, wenn Sie sich abmühen, Besiegte zu malen.“ „Doch, Bürger Consul, sind diese Besiegte Helden, die für ihr Vaterland sterben, und trotz ihrer Niederlage haben sie für mehr als hundert Jahre die Perser von Griechenland zurückgeworfen.“ „Gleichgültig; der einzige Name Leonidas ist auf uns gekommen, die Uebrigen sind für die Geschichte verloren.“ Der Maler überzeugte sich nicht, und lange Zeit, nachdem er die Krönung des Kaisers gemalt hatte, vollendete er sein Meisterwerk, sein letztes Werk auf vaterländischem Boden – Leonidas in den Thermopylen.[1]


Die Agraviados in Spanien.


(Fortsetzung.)

Aber wir ziehen den Schleier über Unthaten, welche

  1. David starb zu Brüssel im Exil den 29 Dezember 1825, 77 J. alt. Seine Kunstthätigkeit umfaßt einen Zeitraum von 54 Jahren.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_131.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)