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Das Ausland. 1,2.1828

die Menschheit entehren; ein Blick auf die Männer, welche – wenn nicht die obersten Leiter, doch die Stimmführer der herrschenden Parthei sind, wird hinreichen, um diese selbst zu charakterisiren.

Calomarde, gegenwärtig die bedeutendste Person in Spanien, der allmächtige Minister Sr. katholischen Majestät, ist von niederer Geburt und hat seine Laufbahn als Page bei einem Mitgliede des Raths von Castilien begonnen; später ging er in Staatsdienste über, und noch zu Anfang der Revolution von 1820 war er als öffentlicher Beamter in einer sehr untergeordneten Stellung. Er wurde Secretär der ersten Regierungsjunta, die unter Eguia an die Stelle der von Frankreich nicht anerkannten Regentschaft von Urgel trat. Der bekannte Ugarte, der durch den Einfluß des russischen Gesandten, Tatitscheff in die Camarilla gebracht worden war, und während der beiden ersten Jahre nach der Restitution den König unumschränkt beherrschte, erhob ihn zu der Stelle eines Justizministers, die er noch gegenwärtig bekleidet. Anfangs dem König eben nicht angenehm, wurde er nach und nach der Lieblingsminister desselben, und wußte sich der ausschließlichen Leitung aller wichtigen Staatsangelegenheiten zu bemächtigen, indem er zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der in Spanien zugleich der Premierminister ist, Salmon, einen unbedeutenden und völlig von ihm abhängigen Menschen machte, und alle jene Männer, die durch Talente oder persönliches Ansehen ihm gefährlich werden konnten, aus dem Vaterlande entfernte. So hält er seinen ersten Gönner Ugarte, seit er ihn aus der Gunst des Königs verdrängt hat, in einer Art von Verbannung in Italien; so haben der Graf Ofalia, Zea, Labrador und der Herzog von San Carlos Gesandtschaften oder außerordentliche Missionen fern von Spanien. – Lopez Ballesteros, der Finanzminister, der gleich Calomarde durch Ugarte’s Einfluß in’s Ministerium gebracht worden ist, verdankt es nur seiner Mittelmäßigkeit und Unbestimmtheit, daß er seitdem sich auf seinem Posten erhielt. Von Staatsökonomie hat er keinen Begriff; seine Talente beschränken sich darauf, beständig einige tausend Piaster für die Privatbedürfnisse des Königs im Rückhalt zu haben.

Neben Calomarde und dem Range nach über ihm wird als das Haupt der apostolischen Parthei der Herzog von Infantado betrachtet, einer der größten Herren des Königreiches, durch seine Geburt und seine unermeßlichen Reichthümer. In Paris erzogen, hat er immer in seinem äußeren Betragen die Manieren und Sitten der Zeit beibehalten, welche unmittelbar der französischen Revolution voranging. Während der Herrschaft des Friedensfürsten war er einer der Wenigen, die ihre Knie vor diesem unwürdigen Machthaber nicht beugten. Auf der Versammlung der spanischen Notabeln zu Bayonne spielte er eine thätige Rolle und schien aufrichtig die Parthei des neuen Königs zu ergreifen, welchen Napoleon den Spaniern gab. Nach der Schlacht bei Baylen ging er indessen zu den Patrioten über, und wurde an die Spitze einer Heeresabtheilung gestellt, die bei ihrem ersten Zusammentreffen mit den Franzosen vernichtet wurde; darauf ward er Mitglied der Regentschaft von Cadix, und endlich Gesandter in London. Bei der Rückkehr Ferdinands VII erhielt er die Präsidentschaft des Rathes von Castilien, die erste Stelle der Monarchie; zugleich hatte er Sitz im Staatsrath, als die Revolution 1820 eintrat, deren Ausbruch er in Madrid durch die falschen Maaßregeln beschleunigte, zu denen er rieth. Während der constitutionellen Regierung lebte er auf seinen Gütern zurückgezogen, ohne beunruhigt zu werden. Als die französische Armee einrückte, war der Herzog von Infantado in Madrid, und wurde von dem Herzog von Angouleme zum Präsidenten der damals eingesetzten Regentschaft ernannt. Bei der Rückkehr des Königs von Cadix verweigerte er ein Ministerium anzunehmen, behielt jedoch allen den Einfluß, den seine Schwäche und Nachläßigkeit ihm auszuüben gestattet. Als Zea, durch die Intriguen der apostolischen Parthei ermüdet, sich zurückzog, wurde der Herzog von Infantado, dessen Ehrgeiz durch seine Umgebung geweckt worden war, zum Premierminister ernannt; doch zeigte sich in kurzem seine Unfähigkeit so deutlich, daß ihm der König das Portefeuille wieder entziehen mußte, ohne daß er deshalb in Ungnade gefallen wäre. Der Herzog ist ein guter, liebenswürdiger Mensch, von angenehmen Sitten und aufgeklärten Ansichten, aber seiner Charakterlosigkeit wegen das Spielwerk der Parthei, welcher er sich, wahrscheinlich ohne selbst recht zu wissen, warum? ergeben hat. Wie der König und die Glieder der königlichen Familie hat er seine Camarilla, die eine unumschränkte Herrschaft über ihn übt. Diese besteht aus sehr untergeordneten Personen, im Solde des Pater Cyrillo, der durch ihre Vermittlung den Herzog zu allen denjenigen Schritten bestimmen läßt, welche das Interesse der Apostolischen verlangt.

Der Pater Cyrillo von Alameida, Staatsrath und Franciscaner-General, ist unter allen den Personen, die einen Einfluß auf das spanische Cabinet üben, die fähigste, und vielleicht, ungeachtet seines Standes, die vorurtheilfreiste. Zu Anfang der Revolution von 1820 zeigte Cyrillo liberale Gesinnungen; und man behauptet selbst, daß er Freimaurer sey, und zur Zeit der Constitution in der Loge de los duelos de Villalpando, in der Rua de las Huertas, einer der revolutionärsten Logen in Madrid, eifrig mitgearbeitet habe. Der Pater Cyrillo ist von mittler Größe, sein Auge ausdrucksvoll, er spricht mit Gewandtheit und Eleganz, und seine Bewegungen sind die eines Weltmannes. Aeußerlich zeichnet er sich vor den übrigen Mönchen seines Ordens nur durch große Reinlichkeit, und durch die Feinheit seiner Kutte und seiner Wäsche aus. Er besitzt keine gründlichen Kenntnisse, aber so viel Geist, daß er sich die Ideen anderer leicht aneignen, und sie mit Klarheit und Beredsamkeit wiedergeben kann. Er ist noch jung, und hat seine Würde durch die geschickte Benützung von Umständen erreicht, die wahrscheinlich jedem andern verderblich geworden wären. Durch seine Vorgesetzten, einiger kleinen Mönchssünden wegen, zur Strafe nach Amerika gesandt, kam er nach verschiedenen

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_132.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)