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Das Ausland. 1,2.1828

Abentheuern nach Rio de Janeiro, wo es ihm gelang bei Hofe Zutritt zu erhalten. Er erweckte in dem verstorbenen König Johann VI zuerst die Idee der Vermählung der beiden ältesten Infantinnen mit König Ferdinand und seinem Bruder Carlos. Er fand Mittel, seine Vorschläge dem spanischen Hofe angenehm zu machen, und führte, unterstützt durch seine persönliche Liebenswürdigkeit und den Einfluß der Königin Charlotte, der Gemahlin Johanns VI und Schwester Ferdinand VII, jene Unterhandlung glücklich zu Ende. Seit dieser Zeit hat der Pater Cyrillo eine regelmäßige Correspondenz mit der (verwittweten) Königin von Portugal unterhalten, und einen großen Antheil an den Intriguen gehabt, welche die Charte Don Pedros veranlaßte. – Er ist der vornehmste Rathgeber des Herzogs von Infantado, und zugleich die Hauptstütze des Ministers Calomarde, den er verachtet, aber als ein brauchbares Werkzeug für die Ausführung seiner Plane in seiner Stelle hält. Völlig dem Interesse der römischen Hierarchie ergeben, wird er von dem König so wenig, als von einem großen Theil der hohen Geistlichkeit geliebt, aber als Anführer eines Heeres von 13,000 Menschen, die in Spanien allein unter seinen Befehlen stehen, und wegen der Macht, die ihm die Einkünfte seines Ordens sichern, gefürchtet. Er hat die ausgebreitetsten Verbindungen mit allen Klassen der Gesellschaft, und steht in ununterbrochenem Briefwechsel mit allen Theilen der Welt.

(Fortsetzung folgt.)


Erinnerungen aus Italien.

Von einem englischen Gentleman.

(Fortsetzung.)

Das Cafe Novo. Die barmherzigen Brüder.

Ich schlage den Weg nach dem Corso ein. Der in dem reinen Aether leuchtende Mond fällt mit hellem Lichte auf die Säulen vor mir. Dieß ist die Stunde der öffentlichen Vergnügungen. Die Cafes sind geöffnet, und füllen sich mit einer müßigen, glänzenden Masse, aber nicht etwa um Nachrichten aus fremden Ländern zu erfahren, oder über Politik zu schwatzen, sondern um Mezzo und Granata zu trinken, ein Glas Eis zu schlürfen, zu hören, welcher Kardinal gestorben ist, welcher Gottesdienst morgen seyn wird, welcher Bildhauer mit der Ausführung einer neuen Statue beauftragt ist – eine leichte, unzusammenhängende Conversation, oft geistreich, aber stets schüchtern und höchst ungefährlich.

Die in jeder Bude stehende Madonna von Silber oder Kupfer, die eleganten Draperien, die Armleuchter der Cafes, die Altäre an manchen Strassenecken, die beleuchteten Heiligenbilder in ihren Nischen – alles athmet eine Art religiös-wollüstigen Luxus, alles nimmt einen festlichen Anstrich an. Das Cafe Novo liegt vor mir. Von der Menge vorwärts geschoben trete ich ein. Es ist das schönste Cafe von Rom. Der Charakter der modernen Sitten spricht sich aus in dieser eitlen Pracht, diesem zwecklosen Luxus, diesen weiten, verschwenderisch verzierten Sälen, wo nichts für die Bequemlichkeit gethan und alles der Augenlust zum Opfer gebracht ist. Im Erdgeschosse des Palastes Ruspoli ist dieses Cafe eingerichtet. Eine ungeheure Treppe, an Größe mit der des Palastes Braschi wetteifernd, führt zu Vorzimmern, Billards, Salons, Cabinetten, Speisesälen, Empfangssälen – eine lange Reihe von Zimmern, oder vielmehr eine wahre Straße, die man durchlaufen muß, bis man endlich in ein Gemach von gigantischen Verhältnissen kommt, das eben sowohl einer Kirche als einem Cafe gleicht. Alle Leute comme il faut finden sich einmal des Tags hier ein. Der Saal öffnet sich in einen Garten, und dieser wieder in eine Straße. Zum höchsten guten Tone gehört es, diesen Garten zu besuchen. Die bunten Gruppen unter den von zahlreichen Lampen beleuchteten Orangebäumen, der auf- und abwogende Strom von Kommenden und Gehenden leihen dieser Scene einen eben so anziehenden als eigenthümlichen Ausdruck. Zahlreiche Equipagen halten den Eingang belagert, und die Garçons des Cafe eilen herbei, um die Exzellenzen und Signori der hohen Noblesse zu bedienen. Um jede Carosse sammeln sich unterthänige Freunde, Bittsteller, und alle welche dem Glück ihre Huldigungen darbringen. Der Noble-Garde, der neu ernannte Prälat, der russische Seigneur und der englische Lord, jeder bemüht sich zu zeigen, wie er den andern an Menschfreundlichkeit und wohlthätiger Gesinnung übertreffe. Mehr als Eine alta dama antwortet mit der Nachläßigkeit des guten Tons auf die ihr dargebrachten Huldigungen, und beklagt sich mit Würde über schwankende Gesundheit, über schlechte Witterung oder ähnliches großes Unglück. – Täglich einmal im Cafe Novo zu erscheinen ist unerläßliche Pflicht. Fehlt man hier, so streicht man sich selbst aus der Liste der Lebendigen, oder wenigstens derjenigen, die allein würdig sind zu leben.

Ich setze meinen Weg weiter fort, und stoße auf mehrere jener sogenannten barmherzigen Brüderschaften, deren Ordenspflicht es ist, die Todten zu ihrer letzten Ruhestätte zu begleiten. Die Mitglieder dieser Brüderschaften sind meistens Adeliche, welche aus Frömmigkeit jene traurige Pflicht erfüllen. Diese Dienste werden nicht nur freiwillig und unentgeldlich geleistet, sondern auch fast immer in aufrichtigem, würdigem Sinne. Diese Brüderschaften sind arm, aber mildthätig. Trotz dem, daß ich Engländer und Protestant bin, konnte ich mich doch der reinsten Hochachtung nicht erwehren. Ich stellte in Gedanken Vergleichungen an mit unsern Armentaxen und Armensubscriptionen. Diese italienischen Verbindungen, deren Zweck menschenfreundlich, und deren Nutzen augenscheinlich ist, die ferner aus freiem Entschlusse und ohne Unterstützung von der Administration das Gute befördern, schienen mir weit mehr Werth zu haben, als jene kostspieligen Sozietäten zur Aufmunterung der Tugend, und manche andere Wohlthätigkeitsanstalten, von denen man in England so viel Aufhebens macht, und die doch bis jetzt so wenig reellen Nutzen gestiftet haben.

(Fortsetzung folgt.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_133.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)