Seite:Das Ausland (1828) 136.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828


einen Trunk Wasser reichen,[1] während zwei Henkersknechte ruhig zusahen und über seinen Jammer lachten, die herumstehende Menge von Neugierigen aber durch seine Leiden belustigt zu werden schien, ohne daß auch nur auf Einem Gesichte die geringste Theilnahme oder Bewegung zu lesen gewesen wäre. Von einer andern, zwar minder schrecklichen Scene, die aber gleichfalls die wilde Rohheit der Muselmänner zeigt, war ich bei einer andern Gelegenheit Augenzeuge. Ein Kaufmann hatte sich falscher Gewichte bedient. Ohne alles gerichtliche Urtheil, ließ der Polizei-Commissair ihn ergreifen, ihm das Gesicht mit Honig bestrechen, um die Insekten herbeizuziehen, und hierauf sein rechtes Ohr an die Thüre seiner Bude nageln. Aehnliche Scenen könnte ich noch viele anführen, wenn sie nicht zu widrig wären, als daß ich mich länger dabei aufhalten möchte.

Jedermann kennt die alte Gewohnheit der türkischen Heerführer, nach einem Siege dem Großherrn eine Anzahl Köpfe und Ohren der getödteten Feinde zu übersenden, die sodann an den Thoren des Serails zur Schau ausgestellt werden. Seit dem Ausbruche der griechischen Revolution wiederholte sich dieses Schauspiel fast jeden Tag; das Volk strömte in Masse herbei, um die schauerlichen Trophäen zu zählen, und sein Jubel vermehrte sich, je mehr christliche Köpfe und Ohren ihm von dem kaiserlichen Palaste entgegenblickten. Als Ibrahim Pascha sich Missolonghi’s bemächtigt hatte, gab er einigen Gefangenen Befehlt, die Ohren ihrer gefallenen Mitkämpfer einzusalzen, um sie dann dem Sultan zu überschicken. Man brachte vier Tonnen voll zusammen. Ibrahim glaubte aber, daß dieß noch nicht hinreiche, um Mahmund eine angemessene Idee von seinem Siege zu geben, und ließ daher auch den unter den Mauern des Platzes gefallenen Türken die Ohren abschneiden, und den griechischen Ohren beipacken. Die Gefangenen aber, um den Betrug an Tag zu bringen, legten einige Zettel bei, mit den Worten: „An der Länge dieser Ohren wird man leicht erkennen, daß sie keine griechischen sind.“ (?)

  1. Es scheint, daß ein Trunk, gleichviel von welcher Art von Flüssigkeit, dem Unglücklichen, der sich in diesem fürchterlichen Zustande befindet, augenblicklich den Tod bringt.
(Fortsetzung folgt.)


Deutsche Sprache in Nordamerika.

Es ist bekannt, daß ein großer Theil der Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Deutschen stammt, und bis auf die neuesten Zeiten ihrer vaterländischen Sprache und Sitte treu geblieben ist; weniger bekannt ist vielleicht die merkwürdige Thatsache, die wir der Mittheilung eines Freundes in New-Cambridge verdanken, daß auf dem letzten Kongresse des Staats Pennsylvanien die deutsche Sprache beinahe zur Landessprache erhoben worden wäre. Nur mit der Majorität einer einzigen Stimme behauptete das Englische seinen bisherigen Vorrang. So erfreulich für die Völker deutscher Zunge jenes Resultat gewesen wäre, so sehr hätte es uns überraschen müssen, da es in der That der erste Schritt zur Auflösung des bisherigen Centralsystems wäre. Dieses verlangt Ein Volk und indem es natürlich den englischen Grundstock als numerische und politische Superiorität anerkennt, sucht es daher das deutsche und jedes andere Volkselement zu bewältigen. Die Klage der Deutschen in Amerika über den Untergang ihrer Sprache ist alt; zwar sind Gesetze vorhanden, daß z. B. Urkunden, öffentliche Bekanntmachungen, in Gegenden, wo es viele Deutsche giebt, deutsch und englisch ausgefertigt werden sollen; allein selten werden diese genau beobachtet. Früher oder später wird die Zeit kommen, wo die große Gesammtunion vorerst nur vielleicht in drei kleinere Staatenvereine des Nordens, Südens und Westens zerfällt; in der Folge dürfte aber auch in diesen Länderverbindungen das Mißverhältniß ihrer Ausdehnung zu den gesellschaftlichen Zwecken eine neue Zertheilung derselben nothwendig machen. Um das Centralsystem, auch wenn es nicht mehr Bedürfniß ist, fortdauern zu lassen, sind die Amerikaner zu wenig Phantasiemenschen, welche dem stolzen Wohlgefallen an ihren großen geographischen Dimensionen, wesentliche Interessen opferten. Doch ist es gegenwärtig, und wird vielleicht noch lange Zeit Bedürfniß bleiben, und sich folglich erhalten. So lange Nordamerika im Zustande der Kolonisation, so lange seine Bevölkerung gleichsam in einer beständigen Bewegung des Zu- oder Abflusses sich befindet, konnten die Vereinigten Staaten ohne die Kraft eines Central-Willens nichts bestehen. An der Bevölkerung der noch unangebauten Landestheile, woran der Union alles liegt, würde den einzelnen Staaten nichts liegen. Die östlichen Staaten, die gegenwärtig jährlich Tausende ihrer Bürger an die westlichen Staaten abgeben, könnten, wenn sie sich nicht mit diesen als Ganzes betrachteten, den Verlust an Menschen, den sie auf diese Art erleiden, und den Zuwachs, der jenen zu Theil wird, nicht ohne Besorgniß ansehen; sie könnten sich schwächen, um gefährliche Nachbarn zu verstärken. Gelingt es den Unionsfreunden, wie es bei der jetzigen Lage der Dinge gut zu erwarten steht, die unorganischen Massen längere Zeit zusammen zu halten, so dürfte es den Deutschen in Nordamerika gehen, wie es den Longobarden in Italien, den Burgundionen und Franken in Gallien, den Gothen in Spanien gegangen ist: ihr Name, ihre Sprache, ihre Sitte verlöre sich in dem Hauptvolke, ihre Einzelheiten verschmelzten sich mit dem Ganzen. Wenn zuletzt auch dieses seinem Schicksale erliegt, und einer spätern Entwicklung freier und selbstständiger Völker-Individualitäten Raum giebt, wie dieß unter den gewaltigen Einflüssen des Himmels und des Bodens, des Verkehrs mit der Natur und den Menschen, nicht anders zu erwarten ist, so wird doch keine deutsche Volksthümlichkeit mehr zum Vorschein kommen, nachdem sie einmal in der englisch-amerikanischen untergegangen ist. Auf der andern Seite sollte man glauben, daß, trotz der anglicanischen Basis, welche das politische Leben Nordamerika’s hat, die neben diesem bestehende völlig unbeschränkte


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_136.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)