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Das Ausland. 1,2.1828

die Verfassung der Cortes gestürzt worden ist? Ist es nicht von dem französischen Ministerium, so wie von den hohen Mächten, welche einstimmig mit demselben verfuhren, mehr als einmal ausgesprochen worden, daß die Herstellung der Monarchie in Spanien der Zweck sey, dem man das Blut und das Gold von Frankreich zum Opfer gebracht habe? Wohl mag dieß die Meinung der Cabinette gewesen seyn, die sich durch die obwaltenden Mißverhältnisse zwischen der Neigung des Königs und den Freunden der Constitution in ihrem Urtheil bestimmen ließen. Auch läßt sich nicht läugnen, daß die letztern in ihren Beschränkungen der monarchischen Autorität etwas zu weit gegangen waren; aber man dachte nicht daran, daß die spanische Constitution keineswegs – wie einst die französische – das Erzeugniß einer Revolution war, die eine bestehende Ordnung der Dinge umgestoßen hatte, sondern nur die Rückklehr zu der alten Verfassung des Königreiches, welche die Gewalt zwar aufgelöst, aber nicht ersetzt hatte. Nur unter der Regierung Karl’s III hatte man versucht, die Wiedergeburt der Monarchie von dem Grundsatze der königlichen Alleingewalt aus zu bewerkstelligen; aber nach dem Tode dieses Fürsten war das Werk in Stocken gerathen, und die Herrschaft von Spanien nicht sowohl den Inhabern des Thrones in der alten Weise geblieben, als jedem in die Hände gefallen, der Kühnheit und Gewandheit genug besaß, sich des Staatsruders zu bemächtigen. Die Lage von Spanien ist in dieser Hinsicht nicht mit Unrecht öfters mit jener der Türkei verglichen worden; nur müssen wir nicht vergessen, daß wir der hohen Pforte zu viel Unehre anthun, wenn wir behaupten wollten, daß je in dem Serail von Stambul ein ähnliches Verhältniß statt gefunden habe, als unter der Regierung des Friedensfürsten am Hof des Vaters Ferdinand’s VII. Aus diesem schmachvollen Zustande hatten die Cortes die Monarchie erhoben, als sie dieselbe nach festen, wenn auch im Einzelnen verfehlten und durch die Seuche des französischen Liberalismus kränkelnden Gesetzen zu organisiren anfingen; in einen ähnlichen mußte sie wieder zurück sinken, sobald ihr die Stützen entzogen wurden, auf denen sie ruhte.

Ob dieser Zweck von den Männern, die gegenwärtig an der Spitze der Verwaltung von Spanien stehen, mit Bewußtseyn verfolgt wurde, wagen wir nicht zu entscheiden; uns kann die Thatsache genügen, die unwidersprechlich vor uns liegt, daß er erreicht wurde. Aber der Parthei, deren Organ diese Männer sind, müssen wir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ihr Streben keineswegs blos auf Umsturz der durch die Cortes gegründeten Ordnung, oder auf die Zurückführung in die alte allgemeine Verwirrung geht, sondern allerdings auf Stiftung einer neuen Ordnung der Dinge, die aber vielleicht mit mehr Recht den Namen einer revolutionären verdienen möchte, als die, welche sie gestürzt haben. Und hier ist der Punct, wo sich die Masse der Anticonstitutionellen, der Freunde des Rey absoluto, wenn wir sie überhaupt je als ein Ganzes betrachten dürfen, in zwei Parteien scheiden, die einander eben so scharf gegenüberstehen und ihrer Natur nach gegenüberstehen müssen, als beide zusammen den Constitutionellen.

Wir haben bereits erwähnt, daß keine Klasse des spanischen Volkes im Ganzen der Constitution abgeneigt gewesen sey, außer der Geistlichkeit. Von dieser allein müssen wir auch annehmen, daß sie wohl gewußt habe, was sie wolle, als sie durch ihre eifrigste Mitwirkung den Erfolg der französischen Intervention versicherte. Der Verlauf hat gezeigt, daß sie zu klug war, um nicht einzusehen, daß sie sich mit diesem bloß temporären Siege nicht begnügen dürfe, da dieselbe Wirkung beständig wieder zu kehren drohte, so lange die Ursache vorhanden war, welche dieselbe zuerst herbeigeführt hatte. Als diese Ursache erkannte sie richtig den gänzlichen Mangel einer festen, gesetzlichen bürgerlichen Ordnung; eine solche Ordnung einzuführen, ohne ihre zeitigen Rechte und Besitzthümer zu gefährden, war daher, so wie sie den ersten Sieg errungen, ihr beständiges Streben. Wir glauben es gegenwärtig, ohne uns dem Vorwurf einer Uebereilung bloß zu stellen, aussprechen zu dürfen: das Ziel, welches die spanische Geistlichkeit seit der Restauration verfolgt, ist die Stiftung einer Theokratie, welche die Monarchie zwar nicht geradezu verdrängen, aber sich einverleiben und unterordnen und von sich abhängig machen soll.

So lange es möglich war, diesen Plan zu verbergen, mußte es der Geistlichkeit gelingen, Alle, welche mit den Beschränkungen der königlichen Autorität und überhaupt jeder Art der willkürlichen Gewalt durch die Cortes aus den verschiedensten Gründen übel zufrieden waren, durch eine in Spanien nicht befremdliche Verwechslung des Irdischen mit dem Göttlichen unter den Fahnen des Glaubens zu sammeln. Aber der erste positive Schritt – über das bloß negativ wirkende Umstoßen der Constitution hinaus – mußte das Geheimniß verrathen; und so leise es auch angedeutet wurde – in der Forderung der Inquisition, welche nie von den Geistlichen unmittelbar ausging, sondern bald von dieser, bald von jener Seite, gleichsam ohne ihr Wissen und Wollen erhoben wurde – so klärte diese Forderung doch sogleich jeden, dessen Interessen nicht mit denen des Priesterthums verschmolzen waren, über die den Freunden des Königes, wie des Volkes, und jedem Einzelnen persönlich drohende Gefahr der Unterdrückung auf. Und damit war auch bald die Spaltung der beiden bisher vereinigten Parteien, der sogenannten Royalisten und der Theokraten, entschieden. Die letztern hatten indessen, ehe es zu dieser Trennung kommen konnte, bereits nicht geringe Fortschritte gemacht; die wichtigsten Stellen der Monarchie waren mit ihren Anhängern besetzt; und wenn die ersteren nicht in der unmittelbaren Umgebung und in der persönlichen Stimmung des Königs ein Gegengewicht besessen hatten, so dürfte ihr Widerstreben schwerlich etwas gefruchtet haben. Nur daß der König selbst die Anmaßungen des Priesterthumes zurückwies, so oft sie eine gewisse Grenze überschritten, konnte den Fortschritten desselben einen Damm entgegen setzen.

(Schluß folgt.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_138.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)