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Das Ausland. 1,2.1828

Theil wird, und daß der Herrscher des Staates mit seinem Volke unter dieselbe verfällt.

Der Glaube, durch den Chinas Monarch regiert, ist der an die Institutionen und Grundgesetze des Reichs; ob gut ob schlecht, hängt von seiner Persönlichkeit ab, ein Fall, der selbst in constitutionellen Staaten zutrifft, in welchen die Theorie der Verwaltung stets vortrefflich ist, aber die Praxis ihr selten entspricht.

Der Militärkalender der Chinesen mit dem Titel tai t’hsing tschung tchhu pi lan, Uebersicht des ganzen Militäretats, besteht nur aus zwei Bändchen, die in eben den Formaten, und ebenfalls viermal des Jahres erscheinen, wie der Civilkalender.

In den ältesten Zeiten gab es kein stehendes Heer in China. Wollte der Kaiser irgend eine kriegerische Unternehmung machen, so führten ihm die Statthalter der verschiedenen Provinzen des Reichs, oder die kleinen von ihm abhängigen Lehnsfürsten eine bestimmte Anzahl aus dem Bauernstande ausgehobener Mannschaft zu, die, nach Beendigung des Krieges, wieder zum Pfluge zurückkehrte. Um indessen das Volk auch in Friedenszeiten in den Waffen zu üben, wurden nach der Erndte alle rüstigen jungen Männer versammelt, um, durch große regelmäßige Jagden auf Tieger und wilde Thiere, sich an militärischen Gehorsam zu gewöhnen, und Geschicklichkeit in den Waffen zu erwerben.

Am Anfange des siebenten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung bemeisterte sich der Stadthalter einer Provinz des ganzen Reiches, bestieg den Thron, und ward Stifter der großen Dynastie Thang. Durch eigene Erfahrung belehrt, sah er die Nothwendigkeit einer stehenden Armee ein, vermittelst welcher er Ruhe und Ordnung im Lande erhalten, und die häufigen Einfälle der, nördlich von China herrschenden, türkischen Völkerschaften verhindern könnte. Er ließ daher das Heer, durch dessen Hülfe er die Kaiserwürde erlangt hatte, nicht auseinander gehen, sondern vertheilte es auf die Punkte des Reiches, und die Grenzen, die wegen ihrer festen Lage oder aus andern Gründen als die wichtigsten erschienen. Seit jener Zeit sind die Lagerplätze der chinesischen Armee, mit Ausnahme weniger unumgänglich nöthigen Veränderungen, dieselben geblieben.

Das ganze chinesisch-mandschuische Heer besteht jetzt aus drei gänzlich verschiedenen Theilen:

1) die acht Fahnen, oder Divisionen, welche, nach der Farbe ihrer Feldzeichen, folgendermaßen benennt werden:

a) Die gelbe verbrämte. b) Die gelbe. c) Die weiße. d) Die rothe. e) Die weiße verbrämte. f) Die rothe verbrämte. g) Die blaue. h) Die blaue verbrämte.

Jede dieser Fahnen zerfällt wieder in drei Theile; den ersten bilden Mandschu, den zweiten Mongolen, und den dritten Chinesen, die auch schwere Truppen genannt werden. Diese Unterabtheilungen bestehen seit dem Anfange der Mandschu-Dynastie. Die in den acht Fahnen befindlichen Mongolen und Chinesen sind Nachkommen derjenigen Mongolen und Chinesen, welche mit den Mandschu bei der Eroberung China’s gemeinschaftliche Sache gemacht haben. Bei weitem der größte Theil aller dieser Truppen besteht aus Reiterei; die Anzahl der Fußvölker ist dagegen sehr gering. Diese acht Fahnen bilden so zu sagen den Kern des Heeres, und den Theil desselben, auf den die Regierung am sichersten rechnen kann, und doch übersteigt die Anzahl dieser Truppen nicht 200,000, mit welcher verhältnißmäßig geringen Macht ein so ungeheurer Körper, wie das chinesische Reich ist, zusammengehalten wird. Was die Mandschu im Besitz des Thrones erheilt, ist weniger jene Militärmacht, als das im ganzen musterhafte Betragen ihrer Kaiser und die Beobachtung der Gesetze gewesen. Ob sie sich noch lange in China behaupten werden, muß die Regierungsweise des jetzigen Kaisers lehren, welcher die schwache und tadelnswürdige Administration seines Vaters nicht nachzuahmen scheint; wenigstens nach der Energie zu schließen mit welcher er gegen die Rebellion der mohammedanischen Stämme der kleinen Bucharei zu Werke ging.

2. Das Heer der grünen Fahne besteht aus eingeborenen chinesischen Soldaten. In der ersten Hälfte der Regierung Khian lung’s, oder in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, zählte man 450 yng oder Waffenplätze, die je von einem Regimente von 1000 Mann besetzt waren. Nach dieser Angabe betrug also damals die Stärke dieses Heeres 450,000 Mann, eine Zahl, welche wegen der dem Berufe ihrer Väter freiwillig folgenden Soldatenkinder gegenwärtig doppelt so hoch angeschlagen werden darf. Die Regimenter dieser Fahne erhalten ihren Namen nach dem Waffenplatz, in dem sie in bleibender Garnison stehen, oder vielmehr dessen einzige Bewohner sie sind; selbst in Kriegszeiten werden die Soldaten nur selten an andern Orten verwendet; die höheren Offiziere können, bei Beförderungen, versetzt werden.

3. Irreguläre Truppen in den äußeren Provinzen des Reiches, nämlich in der Mongolei, in Tübet, der kleinen Bucharei und im alten Lande der Dsungar. Sie bestehen aus 207 Fahnen, welche man, mit Einschluß derjenigen, die noch nicht unter die Fahnen eingereiht sind, zu 95,000 Mann berechnet: 8 Fahnen Tschachak und Oelet, 49 Fahnen Mongolen, 2 Fahnen Tument von Chuchu choron, 86 Fahnen Kalka, 30 Fahnen Mongolen vom See Chuchu noor, 1 Fahne Oelet vom Berge Alashan, Mongolen in Tübet, 1 Fahne Turgut, 16 Fahnen freiwillig unterworfener Dsungar, Dsungar und Oelet, eine Fahne Dschachadsin, 11 Fahnen Uriangchai, am oberen Jenisei, 1 Fahne Mohamdedaner von Chamil, 1 Fahne Mohamedaner von Turfan, freiwillig unterworfene Mohamedaner, unterworfene Mohamedaner, zinspflichtige Mohamedaner.

Mit den Seesoldaten und Matrosen wird jetzt die ganze chinesische Heermacht auf 1,358,000 Mann angeschlagen; da dieselbe aber nie vollzählig ist, so kann man ein Drittel weniger annehmen, und sie zu 900,000 berechnen.

Der Militärkalender bezieht sich nur auf das in China stehende chinesische Heer, oder die Truppen der grünen Fahne, die aber zum Theil auch von Anführern aus den acht mandschuischen Fahnen befehligt werden. Dieses Heer besteht aus drei Waffengattungen: 1. Reiterei, mit

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_149.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)