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Das Ausland. 1,2.1828

Bankerutt zu machen, aber der Staat stirbt nicht und seine Unsterblichkeit löset das erhabene Problem eines ewigen Credits. Ja, meine Herren, der Staat kann endlos borgen, weil er endlos ist. Laßt die Schweiz regelmäßige Zinsen zahlen und sie wird in Besitz des baaren Geldes aller Welttheile kommen können. Und nun beurtheilen Sie, ob diese Entdeckung mit tausend Thalern, welche Jeder von Ihnen verliert, zu theuer bezahlt ist. – Nachdem ich aber durch mein Beispiel unserer Republik eine so unversiegbare Quelle des Reichthums eröffnet habe, würde es lächerlich scheinen, noch von meinen Käsen des Gruyère Thals zu reden, obwohl ich durch Anführung dieser und ähnlicher Erfolge meines Fleißes dahin kommen könnte, Ihnen zu beweisen, daß Sie eigentlich meine Schuldner sind. Ich begnüge mich daher, mit der süßen Ueberzeugung von Ihnen zu scheiden, daß unsere Rechnungen sich gegen einander aufheben, daß ich dem Reichen als Vorbild, dem Armen als Stütze gedient, eine gleichere Vertheilung des Vermögens bewerkstelligt und dem blinden Glücke so zu sagen den Staar gestochen habe, indem ich die bei Ihnen aufgehäuften Goldberge zu schmälern und mit Abzugs-Kanälen nach fremden Richtungen hin zu versehen wußte.“

Hier schwieg der Sterbende und sein Rede brachte in der Versammlung anstatt Zorn und Schrecken, nur Bewunderung und Enthusiasmus hervor. Jeder Gläubiger legte die von Schneider empfangenen Wechsel auf den Altar seines Bettes nieder; er selbst aber reichte jedem die Feder, um dieselben zu quittiren. Dann rollte er sie in ein Bündel zusammen und hob dieses mit den Worten gen Himmel hinauf: „Meine Schuld ist getilgt! Vaterland folge meinem Beispiel“! worauf er den letzten Seufzer aushauchte.

Kaum hatten die Anwesenden von ihrem Schmerz sich einigermaßen zu fassen gesucht, als einer der Beredtesten das Wort nahm und den Vorschlag that, mittelst Eröffnung einer Subscription dem Verstorbenen ein Denkmal zu errichten. Alle stimmten bereitwillig bei, und so wurde Schneider am Fuße des Brüning, welcher Unterwalden vom Berner Oberlande trennt, feierlich beigesetzt.

Hier war es, wo Pitt, als er einige Jahre nachher die Gegend bereisete, den auf dem Grabe befindlichen Gedächtnißstein entdeckend, sich von der einfachen und großartigen Inschrift: der Entlehner! so mächtig ergriffen fühlte, daß er die Geschichte des hier ruhenden Todten kennen lernen wollte. Als aber sein Begleiter, der diesem Verlangen zu genügen suchte, bei Schneiders oben angeführter Rede an die Stelle kam: „Ich elender Sterblicher bin gezwungen bankerutt zu machen, aber der Staat stirbt nicht u. s. w.,“ da wiederholte der junge Pitt, wie vom Wahnsinn ergriffen und mit wahrhafter Begeisterung die Worte: der Staat stirbt nicht, bestellte Postpferde, ohne andere Gründe dafür anzuführen als: der Staat stirbt nicht, bestieg das Packetboot mit dem Ausruf: der Staat stirbt nicht, und betrat mit demselben die Kanzellei des englischen Ministeriums, so daß man ihn für verrückt hielt, bis die große Anleihe realisirt wurde, womit England den Krieg gegen Europa geführt, Indien gewonnen, die Kolonien erobert, und Napoleon gestürzt hat, welcher vielleicht noch oben stünde, wenn der Erfinder dieses Systems und der Gruyère-Käse nicht gewesen wäre.

Zwar sagt und glaubt man allgemein, daß Pitt niemals England verlassen habe, und seine Bewunderer suchen diese Meinung aufrecht zu erhalten, um dadurch das Ansehen des Ministers zu steigern, allein dieß mindert den Werth unserer Entdeckung nicht, und der Welt wird es daher überlassen, sich über die Wahrheit oder Unwahrheit derselben näher zu unterrichten, und selbst zu entscheiden, ob die Idee eines endlosen Creditwesens aus Pitts oder aus Schneiders Kopfe entsprungen sey! –



Zwei Jahre in Konstantinopel und in Morea.


(Fortsetzung.)
Die Vernichtung der Janitscharen.

Der Verfasser befand sich gerade zu der Zeit der Auflösung der Janitscharen in Konstantinopel. Nie hätte ich gedacht (sagt er,) daß ich je ein Augenzeuge von Ereignissen seyn würde, die man bis dahin fast unter die Unmöglichkeiten rechnete. Das Corps der Janitscharen, allmächtig im Gefühl seiner wilden Kraft, und stets gewohnt, durch Aufruhr selbst den Despotismus zu beherrschen, verging in Nichts vor dem Willen eines einzigen Menschen. Durch ein fürchterliches Blutbad büßten sie alle ihre alten Triumphe, und das Schwert auf das sie ihre Macht gegründet hatten, ward nun das Werkzeug ihres Verderbens. So hatte Peter der Große vor 120 Jahren die Strelitzen ausgerottet, so vertilgte in unsern Tagen Mehemed Ali in wenigen Stunden die Schaar der Mamelukken. Seit achtzehn Jahren hatte Mahmud diesen Staatsstreich beschlossen: ein Beweis hievon ist, daß er sogleich nach dem Tode Mustapha’s die Waffen des Nizam-Djedid (der neuen Truppen) sammeln, und sorgfältig in den Magazinen des Serails aufbewahren ließ. Hier wurden auch, drei Monate vor der großen Katastrophe, 50,000 aus Lüttich gekommene Gewehre aufgestellt. Mahmud wartete nur auf eine günstige Gelegenheit; endlich hatte er den Muth sie selbst herbei zu führen. Seit Selims Sturz war das Wort Nizam-Djedid bei allem Volke ein Wort des Schreckens geworden, das man verfluchte, wie nun den Namen Janitschar. Plötzlich wagte Mahmud selbst in der Mitte der versammelten Ulemas es wieder auszusprechen. Schnell lief das Gerücht hievon durch die Hauptstadt, fand jedoch, da man das Unternehmen als ein tollkühnes Wagstück betrachtete, wenig Glauben. Bald aber warf der Sultan die Maske vollends ab. Sein kaiserlicher

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_152.jpg&oldid=- (Version vom 28.4.2023)