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Das Ausland. 1,2.1828

obersten Befehlshaber der Heere des Reichs, ernannt. Die Truppen, die sich ausgezeichnet, erhielten den Namen Asker-Muhamed, Kämpfer Muhameds.

Der Groß-Vezier, umgeben von Scharfrichtern, schlug sein Zelt in dem Hofe der Moschee Achmet’s auf, wo die siegreiche Fahne des Propheten wehte, während Hussein, mit einigen hundert Bewaffneten, die Stadt durchstreifte und jeden, dem er begegnete fragte: „Bist du ein Muselmann oder ein Janitschar?“ Wer verdächtig war, oder kühn genug sich zum letztern zu bekennen, ward auf den Hippodromus geschleppt, und ohne weitere Prozedur enthauptet. Wer antwortete: „Ich bin ein Muselmann,“ wurde weiter nach Namen und Stand gefragt. Fiel die Antwort nicht ganz befriedigend aus, so ward der Verdächtige vor die aus dem Stegreif organisirten Tribunale gebracht, wo er durch schriftliche oder mündliche Zeugnisse seine beharrliche Treue gegen den Fürsten und die Religion beweisen mußte. Bei einer dieser Untersuchungen glaubte Hussein einen Offizier der Janitscharen unter der Verkleidung eines Armeniers zu erkennen. „Bist du ein häretischer oder ein katholischer Armenier?“ „Ein Katholike.“ „Gut, sag mir dein Glaubensbekenntniß.“ Der arme Janitschar konnte kein Wort hervorbringen; er ward ergriffen, und zum Tode abgeführt.

Volle vierzehn Tage lang dauerten diese Hinrichtungen. Auch diejenigen, welche noch an dem Aufruhr gegen Selim III Antheil genommen hatten, wurden der Rache geopfert. Hussein-Aga, damals einer der Hauptempörer, hatte eine Liste seiner Mitschuldigen, und verschonte keinen, auch wenn er bei der letzten Empörung sich noch so friedlich verhalten hatte. Jeden Tag wurden über tausend Menschen geschlachtet. Das Blut floß in Strömen unter den ermüdeten Armen der Henker. Dennoch glimmte das Feuer des Aufruhrs unter der Asche fort. Meuterische Anschläge wurden an die Thore des Serails geheftet. Neue Hinrichtungen waren die Antwort des Sultans. Die Weiber wehklagten über den Tod ihrer Männer: sie wurden in Säcke genäht und in den Bosphorus gestürzt. Da warf der noch immer nicht erstickte Aufruhr die Brandfackel in die geängstete Stadt. Mehr als fünf und zwanzig tausend Gebäude wurden von der Flamme verzehrt, die erst an den Mauern des Serails verlöschte; seit einem Jahrhundert hatte Konstantinopel keine so furchtbare Zerstörung gesehen. Einen Monat später ward Scutari in Brand gesteckt, und eine dritte Feuersbrunst verzehrte die große Kaserne in der Nähe des Serails. Aber immer schwächer wurden die Versuche der Empörung, die sich endlich dem blutigen Arm und dem unbeugsamen Willen des Machthabers ruhig unterwarf.

(Fortsetzung folgt.)


Die transatlantischen Staaten und Colonien am Schlusse des Jahres 1827.


(Fortsetzung.)
5.

Keine der neuen Republiken strebt so glücklich dem Vorbilde der Vereinigten Staaten nach, wie der mexikanische Bundesstaat. Er besteht durch die Konstitution vom 4. Oktober 1824 aus den 19 Republiken: Chihuahua, Cohahuila mit Texas, Neu Leon, Tamaulipas, San Luis Potosi, Vera Cruz, Tabasco, Merida (Yukatun), Chiapas, Oaxaca, Puebla, Mexico, Queretaro, Michoacan, Guanaruato, Xalisco, Zacatecas, Durango, Occidente; und aus 4 Gebieten: Flaccala, Colima, Ober- und Nieder-Californien und Neu-Mexico (Santa Fe) mit 75,830 ☐ Meilen, 6,225,000 Einwohnern. Im Anfange des vorigen Jahres erregte eine Verschwörung große Besorgniß. Sie hatte den Zweck, dem spanischen Infanten Francesco de Paula den Kaiserthron von Mexico zu verschaffen. Ein Dominicaner, Joaquin Arenas, ein geborner Spanier, ward als Hauptanstifter derselben angeklagt, und am 31. Mai 1827 in der Hauptstadt Mexico hingerichtet. Bei seiner Verurtheilung erklärte er: „Man geht getrost zum Tode, wenn man in der Vertheidigung Gottes und seines Königs stirbt.“ In der öffentlichen Bekanntmachtung über seine Hinrichtung heißt es, sie geschehe zum warnenden Beispiel (escarmiento) für alle Revolutionäre und für die Feinde der Unabhängigkeit und Freiheit. Viele angesehene Altspanier, z. B. der General Negretto, wurden verhaftet, und diese ganze zahlreiche, wohlhabende Klasse der Bevölkerung anfangs von den Provinzial-Gouvernements einzelner Bundesstaaten, in der neuesten Zeit aber von der Föderativregierung selbst aus dem Gebiete der Republik verbannt. Andere Verwirrungen entstanden wegen Abzahlung der Zinsen für die in London contrahirten Anleihen und hatten einen bedeutenden Fall der Fonds zur Folge. Indessen erwies sich zuletzt, daß die Finanzen keineswegs so unheilbar zerüttet waren, als man vorausgesetzt hatte, und es wurden Maßregeln getroffen, das verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Merkwürdig ist es, daß in Mexico die Freimaurer einen entschiedenen, dem Volke verhaßten Einfluß auf die Staatsangelegenheiten ausüben. Der Kongreß des Staates Veracruz erklärte sich, in einem Manifest vom 20. Juni 1827, mit den kräftigsten Worten gegen diese Einmischung einer blos geselligen Verbindung auf politische Verhältnisse. Solche Aufregungen sind in einem neuen Staate, dessen Verfassung noch nicht völlig dem Volksleben einverleibt ist, und dessen Bürger noch nicht an Selbstregierung gewöhnt sind, sehr natürlich. Die öffentliche Sicherheit ward inzwischen nicht wesentlich unterbrochen und der Handelsverkehr vornämlich nur durch den Umstand gestört, daß die Bundesversammlung über das neu einzuführende Zollsystem nicht einig werden konnte. Das bisherige hatte manche Unrichtigkeiten in der Taxation, und viel Drückendes in Hinsicht der Aufnahme. Der für brittische, nordamerikanische und deutsche Rechnung betriebene Bergbau scheint im Ganzen zu gedeihen, wenigstens besser, als in den südamerikanischen Staaten, weil die Nation sich den Fremden gerne anschließt, und auch der Verkehr mit Europa leichter ist, als in Peru und Chile. Deutsche Einsicht, Betriebsamkeit, Thatkraft und Genügsamkeit werden überhaupt daselbst viel ausrichten; unsere dorthin ausgewanderten Landsleute befinden sich fast alle recht behaglich. Die Presse ist hier so frei, wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, doch hat der Präsident, Guadalupe Vittoria, in seiner Botschaft bei der Eröffnung des Bundes-Kongresses am 1 September, auf eine Einschränkung der Mißbräuche der Preßfreiheit angetragen.

(Fortsetzung folgt.)

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_154.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)