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Das Ausland. 1,2.1828

Glaubens anzuordnen; und gleich wenig war es thunlich, religiöse Observanzen einzuführen, welche allgemeine Befriedigung hätten gewähren können. – Auf den Universitäten Oxford und Cambridge befinden sich die Studenten in der Aufsicht ihrer Eltern oder Vormünder entrückt, in Kollegien oder neu errichteten Pensionaten untergebracht, wo es nöthig ist, für ihren religiösen Unterricht zu sorgen. Aber zu London werden die Studenten bei ihren Eltern oder Vormündern wohnen; und selbst diejenigen, die aus der Ferne kommen, werden in Häusern leben, die von ihren Freunden mit aller erforderlichen Rücksicht auf die Bewahrung ihrer Sittlichkeit und ihrer religiösen Meinungen gewählt werden. Man geht mit einem Plane um, – dessen § 6. näher erwähnt wird, – wornach die aus der Ferne kommenden Studenten Kost und Wohnung in Häusern erhalten können, worin sie unter der Aufsicht von Personen ihres religiösen Glaubens stehen, und wo sie, hinsichtlich ihres sittlichen Verhalten, gewissen disciplinarischen Vorschriften unterworfen seyn sollen. … Der Rath hat lange und sorgfältig diese Gegenstände erwogen, deren höchste Wichtigkeit ihm nicht entging: allein er hielt es für unmöglich, den Grundsatz, Personen von allen religiösen Secten aufzunehmen, mit einem theologischen Unterrichtsplane oder irgend einer religiösen Discziplin zu vereinbaren, und so sah er sich nothgedrungen, diesen großen und vornehmsten Gegenstand der Erziehung, der ihm zu wichtig schien, um ihn irgend einer Gefahr bloßzustellen, der Leitung und Aufsicht der natürlichen Hüter der Zöglinge zu überlassen.

(Fortsetzung folgt.)


Erinnerungen aus Italien.


(Fortsetzung.)

Ich nähere mich endlich dem Hotel, das ich suche. Der Mond beleuchtet die Gipfel der Paläste, die diese Straße bilden. Kein Schweizer, kein Portier zeigt sich am Eingange des Hotels, das von einer zahlreichen Hausgenossenschaft aus allen Klassen, und darunter von Signora D. bewohnt ist. Ich trete ein, und steige eine breite Marmortreppe hinauf, auf der ein tiefes Dunkel liegt. Ohne Führer und ohne Licht tappe ich herum; beim Absatze der Treppe des ersten Stocks gewährt mir der Mond, der durch die hohen, scheibenlosen Fensterstöcke blickt, eine augenblickliche sparsame Beleuchtung. Nichts verkündigt die Existenz eines menschlichen Wesens in dieser, dem Schweigen und der Finsterniß geweihten Steinmasse. Indessen setze ich furchtlos meine Entdeckungsreise fort. In den obersten Stock des Gebäudes gelangt, suche ich vergebens nach einer Glocke; ich klopfe, ich rufe, alles lange Zeit vergebens: endlich öffnet sich ein Gatter und ich erblicke, im Schein einer einsamen Lampe, eine alte, eingefallene Sibyllen-Gestalt. Eine weibliche Stimme fragt mich, was ich wolle? Meine fremde Aussprache und der Name der Person, auf deren Empfehlung ich mich berief, unterstützen meine Bitte um Einlaß. Man öffnet mir. Im Vorzimmer saßen eingeschlafene Domestiken um eine Kohlpfanne, in deren Asche nur noch ein paar spärliche Funken glimmten. Auf einem Tische, dessen matte Vergoldung, und die eingelegte Arbeit von Ebenholz sein ehrwürdiges Alter verkündigte, rauchte eine dem Verlöschen nahe Lampe, vor einem großen elfenbeinernen Crucifix. Einige schlechte Gemählde hingen an den gelblichen Mauern. Dieser erste Eindruck würde mich schon in ziemlich üble Laune versetzt haben, wenn ich nicht, als ein vielgewandter Reisender, es mir längst zum Grundsatz gemacht hätte, nie zu rasch zu urtheilen, alles zu beobachten, und mich über nichts zu wundern.

Der Salon entsprach den Erwartungen, die schon das Vorzimmer erregt hatte. Sie glichen einander, wie eine Folio-Ausgabe einer Quart-Ausgabe desselben Werkes gleicht. Dasselbe Dunkel, dieselbe Zerrüttung. Im Hinter-Grunde, auf einem mit blauem, stark verwaschenen Zeuge überzogenen Canapee saß die Göttin des Orts. In der Mitte des Zimmers stand eine eherne Gluthpfanne, mit aufgeschichtetem grünem Holze. Von dem, mit sonderbarer Stuckaturarbeit verzierten Plafond hing eine bronzene Lampe an kupferner Kette herunter.

Auf einem Tische, dem Zwillingsbruder von dem des Vorzimmers, lagen allerlei Marmorfragmente, Medaillen und einige Bücher im Querquart. Eine Eiskälte herrschte im Zimmer. Ein Kreis von Lehnstühlen, denen die Zeit ihre einstige Vergoldung geraubt hatte, umgab die Dame. Auf ihrem Schoose ruhte Farfaletta, ein kleiner, dicker, mit Bändern gezierter Hund, den seine Gebieterin von Zeit zu Zeit liebkoste, den aber nichts aus seinem tiefen Schlaf reißen konnte. Bei dem schwachen Schimmer der Lampe konnte ich kaum die rauchigen Malereien unterscheiden, welche die Wände und den Plafond bedeckten. Erst nachdem ich eine halbe Stunde in diesem Heiligthum mich aufgehalten, und mein Auge an seine düstere Majestät sich gewöhnt hatte, erkannte ich die plumpen Verzierungen des sechzehnten Jahrhunderts, die einst vergoldeten Rosetten, die bizarren Arabesken, die ängstlich ausgemeißelten Sculpturen, kurz die ganze leere Pracht der Zeit Caravaggio’s, vermischt mit den christlich-mythologischen Allegorien der byzantinischen Schule und Borromini’s wunderlichen Compositionen.

Die Mitglieder des ehrbaren Cirkels, in dem ich eingeführt wurde, gehörten nicht blos zu jenem mezzo ceto, von dem ich bereits früher mit Interesse gesprochen habe, sondern zu einer besondern, in großer, allgemeiner Achtung stehenden Klasse, welche in der an Alterthümern so reichen Hauptstadt der Welt das heilige Feuer der Archäologie bewahrt. Die Kunst ist in Rom Alles: sie gilt statt Freiheit, statt Patriotismus, statt Macht und statt Handel. Ihr Einfluß verleiht den mittlern, und in manchen Beziehungen selbst den untern Ständen einen Sinn für Schönheit und Anstand, der den nördlichen Völkern durchaus mangelt. Obgleich weniger beständig, weniger eingenommen für häusliches Leben und Glück, weniger streng hinsichtlich der Pflichten, welche es auflegt, und überhaupt weniger sittlich als die Bürger in den Städten des Nordens, findet man bei den Römern doch nicht jene materielle Selbstsucht, jene plumpe Mittelmäßigkeit, auf die man in London, Edinburg, Berlin etc. so häufig stößt. Hier ist mehr Solidität, einfacher, guter Hausverstand, und auch vielleicht mehr Redlichkeit; dort hingegen mehr Leben, Feuer, Gewandtheit, und stets jene leichtbewegliche Empfänglichkeit für

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_177.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)