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Das Ausland. 1,2.1828

Ausbruch des öffentlichen Unwillens befürchtete, wandte sich an den Obern des Klosters zum heiligen Bernhard von Brisighella, den er um eine Freistätte in seinem Kloster bat. Der Zeuge D. V. will unter den Papieren des Klosters einen aus Modigliana 1773 datirten Brief des Grafen an den Obern gesehen haben, worin ersterer seinen Dank für die erhaltene Zusage der Aufnahme abstattet. In diesem Kloster blieb der Graf, um ruhig abzuwarten bis der Sturm vorüber wäre. Als er sich eines Tages auf einem Spaziergange von seinem Asyl etwas entfernt hatte, wurde er auf Befehl der Inquisition festgenommen, und in die Gefängnisse des heiligen Offiziums abgeführt. Der Obere des Klosters that jedoch Schritte bei dem Kardinallegaten von Ravenna; Seine Eminenz befahl den vermeintlichen Grafen vor Sie zu bringen, erkannte, umarmte[1] ihn, und ließ ihn sogleich in Freiheit setzen. Diese Thatsachen werden von dem Advokaten Horatio L. bezeugt, und der oben erwähnte D. V. erklärt ferner, unter den Papieren jenes Klosters einen Brief des Grafen gesehen zu haben, worin dieser dem Obern für seine Verwendung dankt, und ihn von seiner Freilassung in Kenntniß setzt. Einige Zeit nach dem Kindertausch verließ die Gräfin von Joinville Italien, und nahm ihren vermeintlichen Sohn mit sich. Später (die Zeit wird nicht genau angegeben) gibt der Graf von Joinville in einem Schreiben, welches der Zeuge B. B. gelesen zu haben versichert, seinem Freund, dem Grafen Borghi, die Nachricht, daß ihm seine Gemahlin einen Sohn geboren habe, und daß der Knabe, dessen sich Graf Borghi erinnern werde, gestorben sey.

(Fortsetzung folgt.)


Neueste englische Literatur.


Leigh Hunt’s „Lord Byron und einige seiner Zeitgenossen.“
(Fortsetzung.)

Einzelne Stellen aus Leigh-Hunts Memoiren sind durch die englischen Zeitungen auch in deutsche Journale übergangen; doch glauben wir, daß die Neugierde des Publikums durch dieselben mehr gereizt, als befriedigt worden ist, und hoffen, indem wir in diesen Blättern eine Reihe von Auszügen mittheilen, in welchen wir das von andern bereits gegebene zu vermeiden suchen, unsern Lesern eine nicht unangenehme Gabe darzubringen.

„Ich erinnere mich, eines Tages, als er da stand und aus dem Fenster sah, ihn auf das lebendigste dem Portrait ähnlich gesehen zu haben, welches Philipps von ihm machte, bei weitem das beste, was erschienen ist – ich meine das beste aus der besten Zeit seines Lebens, und das ähnlichste sowohl in den Zügen als im Ausdruck. Er saß dem Maler eines Morgens so lange, daß Lady Byron zweimal herauf sandte und ihm sagen ließ, daß sie auf ihn warte. Ihre Herrlichkeit pflegte in Henderson’s Garten zu fahren, um Blumen zu holen. Ich hatte nicht die Ehre sie zu kennen, und sah sie nur ein einziges Mal, als sie eben aus der Thüre trat. Sie hatte einen schönen ernsten Blick, mit einem wahren „Aepfelchengesicht,“ ein Epithet, mit welchem sie sich zum Scherz selbst bezeichnete. Der erste Besuch, den ich Byron machte, war gerade nach ihrer Trennung. Das Publikum, welches vielen Antheil an der Lady nahm, und mit Recht (da Frauenzimmer sich in ihren Verhältnissen zu dem männlichen Geschlecht stets im ungerechtesten Nachtheile befinden), hatte indeß keine Idee von der peinlichen Unruhe, welche ihr Gemahl damals empfand. Er war wirklich krank, sein Gesicht gelb von Galle; daß Lady Byron seiner Gesellschaft entsagte, hatte ihn ganz außer Fassung gebracht und war ihm, wie ich überzeugt bin, völlig unerwartet gewesen; dann regten die Angriffe, welche sich die Journale bei dieser Gelegenheit auf ihn erlaubten, sein Gefühl auf; und um alles zu krönen, so hatte er Exekution im Hause. – Uebrigens nahm er die Ursache der Zwistigkeit ganz auf sich, und bestach meine Selbstliebe so sehr für Lady Byron, daß er mir erzählte, ihr gefiele mein Gedicht[2] und sie habe seinen Charakter mit dem von Giovanni, dem Gemahl meiner Heldin, verglichen. In ihm selbst sah ich nur eine edle Natur, vielleicht den Aufwallungen eines reizbaren Temperaments unterworfen, aber offen, gefühlvoll, äußerst bemitleidungswerth und – wenn ein Weib die Art wüßte, wie er geliebt seyn wollte, oder von andern ihr erlaubt würde, ihn zu lieben – äußerst liebenswürdig. Was mich um so wärmer für ihn einnahm, war ein Brief, welchen er mir zeigte, und den Lady Byron geschrieben hatte, da sie das Haus bereits verlassen und im Begriff war, zu ihren Verwandten zu gehen, die sie beredeten nicht mehr zurück zu kehren. Er war mit dem oben erwähnten Beiwort unterzeichnet und in dem Tone guter Laune ja sogar einer Zärtlichkeit geschrieben, die – obwohl nichts darin stand, was ein Weib nicht schreiben sollte und was ihr nicht Ehre machte zu schreiben – mir doch fast zu gut schien, um sie jedermann zu zeigen. Aber der Fall war außerordentlich und das Compliment für mich, mir den Brief zu zeigen, wurde dadurch um so größer. Ich wußte damals noch nicht, daß Seine Herrlichkeit die Gewohnheit hatte, einen jeden zu seinem Vertrauten zu machen, der ihm nahe kam: eine Indiscretion, die es zu einem um so größeren Glück für viele machte, daß seine Freunde meist sehr discret waren. Ich will jetzt meinen Lesern gerade heraus sagen, was ich über die ganze Sache denke. Jedermann weiß, was bei dem gegenwärtigen schönen Zustande der Verhältnisse zwischen beiden Geschlechtern unter Convenienz-Heirathen verstanden wird. Sie werden meist bald eben so wenig convenient, als Personen, die in die Jahre der Discretion kommen, geeignet werden, indiscret zu seyn. Byron’s Heirath, war – wenigstens von seiner Seite – eine Convenienz-Heirath, obgleich die Lady unter diesem Namen niemals etwas davon würde haben hören wollen. Er heirathete des Geldes wegen; doch warb er als ein Mann von Genie, und die Lady überredete sich selbst, sie habe ihn gern, theils weil er Genie hatte, theils

  1. Nach der Etikette der römischen Kirche würdigen die Kardinäle nur Prinzen vom Geblüte ihrer Umarmung.
  2. Francesca da Rimini.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_204.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)