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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 51. 20. Februar 1828.

Betrachtungen über die Völker und Regierungs-Formen Asiens.

(Nach dem Dänischen.)

Die Länder jenseits des Indus.

Der Verfall des Islamismus ließ in den an Europa grenzenden Ländern Asiens nur verarmte Staaten und schwankende Throne bestehen. Ihre gegenwärtige Schwäche sollte ihren einstigen Glanz nicht vergessen machen. Manches möchte zu berichtigen seyn in dem jetzt fast allgemein verbreiteten Urtheil über die Nachfolger der Kalifen und der Sofis, Harun-alraschids und Saladins, über die Enkel der Araber, welche die Wissenschaften Griechenlands erhielten, und der Mauren, welche die Galanterie nach Europa verpflanzten – wir wollen aber lieber den Blick auf jene Länder richten, deren Sitte und Verfassung man noch mit freiem, weniger durch vorgefaßte Meinungen bestochenem Urtheile studieren kann: Indien, Tunkin und Japan. Will man von den Türken, von den Unterthanen Feht-alischahs oder Mehmed Alis nicht gerade etwas Gutes sagen, so bleibt in der That fast nichts übrig, was man über diese Völker noch besonders Neues lernen könnte, da dieselben uns so nahe liegen, daß jeder sich für berechtigt hält, sie nach sich zu beurtheilen, wenigstens mit Beihülfe der Augsburger Allgemeinen Zeitung und der Correspondenzen von Triest und Odessa. Ein Aufenthalt von drei Monaten in Konstantinopel oder Smyrna, acht Tage in Tunis oder Kairo haben schon Tausende von Reisenden in den Stand gesetzt, ohne weiters über die gesammten muselmännischen Nationen abzusprechen.

Die Völker also, über welche man unsern viel unterrichteten Europäeren noch einige interessante Nachrichten geben kann, sind blos jene, welche möglichst fern von uns wohnen, zu denen seltener ein Reisender gelangt, von denen unsere Journale fast niemals reden, und welche daher denen, die kein Bedürfniß fühlen, nach andern Quellen der Belehrung sich umzusehen, fast gänzlich unbekannt sind.

Jenseits des Indus beginnen jene Länder, in denen sich noch jenes jahrtausendalte Gepräge erhalten hat, dessen eigenthümliche Züge nicht verwischt oder entstellt werden konnten, trotz aller Bemühungen der Abendländer, die nicht müde wurden, jene Länder zu durchstreifen und zu beschreiben, zu unterjochen und zu berauben. Hier finden sich noch die Schüler jener Brahmanen, an deren Weisheit man noch jetzt aufs Wort glaubt, wie zur Zeit Alexanders, und deren unbestreitbarstes Verdienst darin besteht, daß sie gewöhnliche Gedanken in die geheimnißvollsten Formen zu hüllen wußten.

Hier erhielten dreißig Nationen, denen der Sprachgebrauch den Namen Hindus gab, von ihren Unterdrückern, einem Haufen christlicher Kaufleute, das provisorische Recht Idole anzubeten, und die Frauen, die das Unglück haben ihre Männer zu verlieren, lebendig zu verbrennen, – gegen die Verpflichtung, einige Handelshäuser London als ihre Lehensherrn anzuerkennen und die Manufakturen von Birmingham und Manchester mit den Materialien der Fabrication zu versorgen.

Jenseits des bengalischen Meerbusens sind die Burmanen, welche kolossale Götzen- und Thierbilder, Brücken, Thürme und Klöster mit Goldplatten belegen. Diese Völker, deren prachtvoller Cultus und verschwenderischer Gottesdienst natürlich das Interesse ihrer Nachbarn in Bengalen in Anspruch nehmen mußte, erhielten von denselben kürzlich eine Lektion in europäischer Taktik und Diplomatik, und konnten deren Gunst nur durch eine freundliche Ueberantwortung von vier oder fünf Provinzen wieder erwerben.

Auf dem entgegengesetzen Ufer der Halbinsel verdankt das Anamitische Reich einigen aus Frankreich gekommenen Missionären und Offizieren den Besitz einer Flotte, fester Plätze und regelmäßiger Truppen, so daß es, vermöge dieser Macht, noch einige Zeit sich aufrecht erhalten kann, wenigstens so lange die Burmanen, durch welche sie von den brittischen Besitzungen getrennt sind, nicht in neue Händel mit den Herren von Hindustan gerathen, und sich mit der Regierung von Calcutta nicht wieder um denselben Preis abfinden müssen.

Wir übergehen die Inseln des indischen Archipels, weil dort die europäische Industrie von der Civilisation des Eingebornen nichts übrig gelassen hat, als was unumgänglich nöthig war, um noch ferner den Campher und die Muscatnuß einernten zu können. Richten wir den Blick weiterhin, auf die Grenze der Welt, die japanischen Inseln, den weisesten Staat Asiens, um dort ein Volk zu bewundern, das, nach reiflicher Erwägung was es bei dem Besuche der Europäer gewinnen und was es verlieren könnte, den klugen Entschluß faßte, ihnen jeden Zutritt in seinen Seehäfen zu verbieten, und sie von allen seinen Niederlassungen auszuschließen – eine Maßregel, welche man als nachtheilig für die Interessen unserer Kaufleute und die Neugier unserer Philosophen erklären, schwerlich aber tadeln kann, wenn man weiß, wie die Gastlichkeit der Bewohner Hindustans, Ceylons, Javas,

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_211.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)