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Das Ausland. 1,2.1828

Die russischen Fasten, deren es nicht weniger als vier im Jahre gibt, legen den Gläubigen weit strengere Entbehrungen auf, als die katholischen; gleichwohl findet man, selbst unter den aufgeklärten Ständen, schwerlich Personen, die sich’s erlauben, sie zu umgehen. In dieser Beziehung kann man nicht sagen, daß Rußland viele sogenannte starke Geister besitze. Das Volk, das übrigens gegen andere Gottesdienste sehr tolerant ist, treibt den Eifer bis zum Aberglauben; keines ist so verschwenderisch mit Verbeugungen, Zeichen des Kreuzes etc.; und diese äußeren Handlungen der Frömmigkeit werden nicht blos von den niedern Classen geübt: ich sah am hellen Tage in der Kirche von Kasan, wie der Vater des Fürsten Wolkonsky sein Sacktuch gegen die Heiligenbilder an der Wand warf, es dann küßte, und wieder gegen die Mauer warf, und diese erbauliche Ceremonie so lange fortsetzte, bis seine Kräfte erschöpft waren.

Nach vierzig Tagen der strengsten Enthaltsamkeit folgen schnell auf einander die öffentlichen Feste; Ostern macht den Anfang, und ist eins der merkwürdigsten.

Mit dem Schlag zwölf um Mitternacht verkündigt ein Kanonenschuß von der Citadelle den Anfang des Festes. „Christus ist auferstanden,“ ruft man überall, indem man sich zugleich umarmt. Und vom Monarchen bis zum letzten Soldaten, vom hochadelichen Herrn bis zum niedrigsten Leibeignen, ist jeder verpflichtet jede Beleidigung zu vergessen und zu vergeben. Im Augenblick wo die Kanonen donnern, erscheinen im vollen Staate, die Großfürsten, die hohen Staatsbeamten, die Hofoffiziere, und alle, die einen hohen Rang haben, vor dem Kaiser und der Kaiserinn, welche, ohne von der Stelle zu weichen, den Bruderkuß von dem ganzen Gefolge empfangen.

In der Osternacht ging ich in Petersburg, der Volksmenge folgend, in die Kirche unserer lieben Frau von Kasan, die bereits von unzählbaren Gläubigen angefüllt war. Mit Hülfe einiger Stöße mit dem Ellenbogen, welchen Gebrauch ich in London erlernt hatte, gelang es mir, bis in die Mitte der Kirche zu kommen. Als endlich der Gesang, das Läuten der Glocken und die Kanonenschüsse das Ende der Ceremonie angekündigt hatten, war ich nicht wenig überrascht, als ich sah, wie Männer und Frauen, nach vielen Glückwünschen, sich untereinander auf den Fußboden der Kirche[1] niedersetzten, und einen Kreis um kalte Pasteten bildeten, die sie mit dem größten Appetit verzehrten.

Geht man aus der Kirche, so streift man sodann, bis es Tag wird, durdh die hell erleuchteten Straßen der Hauptstadt; man redet sich an, wünscht einander Glück und bietet zum Geschenk gefärbte Eier an; man umarmt sich mit den Worten: „Er ist auferstanden!“ So dauert das Fest bis zur folgenden Nacht. In der guten Gesellschaft ist es Gebrauch, den Damen die man kennt, Eier von Porzellan oder Kristall, mit Bändern verziert, zu überreichen. Indem die Dame das Geschenk und den Gruß annimmt, reicht sie ihre Hand zum Kusse und drückt selbst treuherzig ihre Lippen auf die Wange des Herrn, der ihr die Gabe überreicht.

Einige Wochen nach Ostern ist die Strenge des Winters noch immer fühlbar; im Monat Mai aber tritt ein so plötzlicher Wechsel der Temperatur ein, daß in weniger als 14 Tagen die Newa schiffbar wird. Kaum ist die Erde von dem verhärteten Schee, der sie so lange bedeckte, befreit, so schmückt sie sich mit dem schönsten Grün, und die Bäume treten in Blüthe. Die Stadt wird leer, weil Alles aufs Land geht. Sey es wegen des schnellen Uebergangs von einer Jahreszeit zur andern, oder weil die Russen die vier Monate ihrer schönen Zeit eifriger benützen – nicht zu läugnen ist, daß in keinem anderen Lande in Europa der Frühling ein so reizendes lachendes Ansehen hat, als in der Umgebung der russischen Hauptstadt.

  1. In den griechischen Kirchen findet man weder Bänke noch Stühle; jeder ist verbunden, seine Andacht stehend zu verrichten; selbst der Kaiser hat nicht das Vorrecht sich zu setzen. Alle Instrumental-Musik ist aus den Tempeln verbannt; die harmonischen Stimmen der Sänger aber erheben das Gemüth, und bereiten es zu der religiösen Sammlung der Gefühle und Gedanken vor.


Briefe aus Sumatra von einem Holländer.


(Schluß.)

In der Nachbarschaft der erwähnten Zuckerplantage habe ich die meisten und besten Sawafelder gesehen. Der Boden ist hier von Wasser bespühlt und wird nicht selten durch den Fluß Bencoolen überströmt. Die Sawafelder werden nicht, wie auf Java durch den Pflug umgeackert, sondern man begnügt sich ein Gespann Büffel einigemal darüber hin zu jagen.

Die meiste Padie (der Reis in seinen Aehren) wird auf hoch- und trockengelegenen Feldern, hier Landangs genannt, gepflanzt; und so gering ist die Betriebsamkeit der Eingebornen, daß sie nur für den eigenen Gebrauch bauen und nichts auf den Markt liefern. Daher muß selbst dieß in Indien unentbehrliche Nahrungsmittel von außen eingeführt werden. Diese Einfuhr wird jährlich auf mehr als 2000 Tonnen geschätzt.

In den Monaten September und Oktober verlassen viele Eingeborne mit ihrem ganzen Haushalt ihre Düsüns oder Dörfer, und begeben sich in die buschreichen Hochlande, die sie von dem Holz reinigen und für die Reissaat bearbeiten. Der Werth des Boden ist so gering, daß sie dafür an ihre Häuptlinge meist nichts oder nur einen geringen Theil der Ernte zahlen. Nach der Ernte kehrt der Landmann wieder nach Hause zurück. Selten gebraucht er dieselben Felder länger als zwei Jahre, indem er im dritten Jahr wieder auf frischen und auf’s neue gereinigten Boden säet.

Der geringe Werth des Bodens ist eine natürliche Folge der geringen Bevölkerung; diese letztere wird verschiedenen

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_228.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)