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Das Ausland. 1,2.1828

die inländische Bevölkerung einlud, sofern sie Klagen oder Beschwerden gegen die aufgelöste Regierung habe, mit denselben aufzutreten. Nach Verlauf eines Jahres, nachdem von Klagen oder Beschuldigungen gegen die Beleidigten nichts verlauten wollte, nahm die ganze Sache ihr Ende dahin, daß jeder der entlassenen Räthe eine Gratifkation oder Entschädigung von 10,000 Pf. St. erhielt.

Die damals eingeführten Veränderungen oder Befehle der Regierung von Bengalen scheinen nur darauf berechnet gewesen zu seyn, bei den Eingebornen Erbitterung zu erregen, und die Katastrophe herbei zu führen, von welcher der Resident Parr das unschuldige Opfer wurde. Dieser wohnte drei Meilen von dem Fort am Strand, zu Mont-Felix, wo er des Nachts überfallen, und nach tapferem Widerstande ums Leben gebracht wurde. Seine Gemahlin und sein Secretair Mr. Murray wurden dabei leicht verwundet. Der einzige Zweck der Mörder war der Tod des Residenten; sobald dieser erreicht war, entfernte sich die Bande, ohne das Geringste mit sich zu nehmen. Ein schreckliches Blutbad – ein, einer christlichen und aufgeklärten Nation unwürdiges Schauspiel – erfolgte hierauf; verschiedene Dörfer wurden durch sie in Brand gesteckt und verwüstet. Auf die Häupter mehrerer inländischen Großen, deren Schuld zwar wahrscheinlich, aber nicht weniger als erwiesen war, wurden hohe Preise gesetzt, und so fielen sie als das Opfer der Rache und schnöder Gewinnsucht. – Diese so unmenschlichen und grausamen Maaßregeln hatten keine andere Folge, als auf der einen Seite die, daß die eingeborne Bevölkerung, die ohnedieß schon schwach war, noch mehr verringert und verscheucht wurde, auf der andern, daß die Regierung die Möglichkeit verlor, hinter den Zusammenhang der Verschwörung zu kommen. Es fehlt nicht an Menschen, welche behaupten, daß auch Europäer die Hand darin gehabt, und daß eine gewisse noch lebende Person eine bedeutende Rolle dabei gespielt habe. Montfelix ist seitdem lange Zeit verlassen, und unbewohnt geblieben, obschon es früher immer der Ort eines allgemeinen Rendezvous gewesen war, wo sich die beau monde von Marlborough des Abends in Buggies oder zu Pferde finden ließ.

Die Garnison von Bencoolen besteht aus vierhundert Mann Infanterie (Seapoys) und aus vierzig europäischen Artilleristen, welche letzteren zu den regelmäßigen Truppen von Bengalen gehören, und alle zwei Jahr abgelöst werden. Die Infanterie dagegen ist völlig getrennt von der bengalischen Armee, und wird Localmiliz genannt, weil sie an den Platz gebunden ist. Die Offiziere dieser Miliz verlieren ihr Patent (Commission), sobald sie die Garnison verlassen, und sie haben nie einen höhern Rang, als den eines Lieutenants zu erwarten, da Capitäne und Majors bei der Localmiliz unbekannt sind. Sie stehen unter den Befehlen eines Obristlieutenants von den Bengalischen Truppen. Häufig sind natürliche Söhne von Offizieren, sogenannte Halbkaste-Engländer, welche zu den regulären Truppen der bengalischen Armee nicht zugelassen werden würden, und andere junge Leute ohne Glücksgüter und Aussichten froh, eine Anstellung in diesem Corps zu finden. – Die Gemeinen liegen im Fort, die Offizieren wohnen außerhalb desselben; die Artillerie steht acht Meilen von hier.



Die transatlantischen Staaten und Colonien am Schlusse des Jahres 1827.


(Fortsetzung.)
9.

Die Republik Bolivia, die originelle Staatsschöpfung Bolivars, ein ungemein reiches Land, durch den Hafen Cobija, 307° 34’ 45" L., 22° 29’ 10" S. Br., am stillen Meere mit Europa in Verbindung, steht noch unter der Herrschaft des columbischen Großmarschall von Ayacucho, General Sucre. Sie besteht aus den sechs Departamentos: Potosi, la Paz, Oruro, Chuquisaca, Cochabamba, und Santa Cruz de la Sierra, mit 15,000 Q.M., 1,650,000 Einwohnern. Da die colombischen Truppen in dem üppigen Lande, wie Hannibal’s Karthager in Capua, verweichlichen und sich durch Wollüste aufreiben, so ist auch hier die Herrschaft Bolivars und seines Stellvertreters keinesweges fest begründet. Sucre hat es deshalb beim Ausbruche der Bewegungen gegen Bolivar’s Maßregeln rathsam gefunden, seine Streitkräfte auf der östlichen Seite der Anden zu concentriren. Das im Ganzen bildungsfähige, thätige, muthige Bergvolk ist, wie man wenigstens in Peru behauptet, seiner Militärherrschaft überdrüssig. Seit dem ersten Ausbruche der Revolution im Jahre 1810 – diese Gegend erhob sich von allen am frühsten gegen die spanische Herrschaft – war hier eine wahrhaft republikanische Gesinnung verbreitet. Bolivar ward 1825 als Befreier mit Entzücken empfangen. Jetzt steht zu erwarten, daß das Volk seine Souveränetät auch gegen ihn geltend machen werde. Die Finanzen dieses Staats sollen in bester Ordnung seyn; er hat keine auswärtigen Schulden.


10.

In Chile, wo das Militär wenig oder gar keinen Einfluß hat, sind die früher von allen Abgaben befreiten Einwohner blos deshalb unzufrieden, daß sie jetzt selbst für ihren Staatshaushalt sorgen müssen. Es besteht dort eine Centralregierung, an deren Spitze ein Präsident (seit Mai 1827, der General Pinto) mit sehr milden Provinzialbehörden. Nach einem Decret vom 18 März 1826 ist das Land in acht Provinzen getheilt: Coquimbo, Aconcagua, Santiago, Hauptort Curico, Maule, Hauptort Cauquenes, Concepcion, Valdivia und der Archipel Chiloe mit der Ciudad de Castro, 8437 Q.M., 1,200,000 Einwohner. Der Handel, vornehmmlich die Kupferausfuhr, ist bedeutend; die Britten üben, zur Deckung der Zinsen ihrer Anleihen, ein Monopol über die wichtigsten Einfuhrprodukte, aber eben dieses Monopol veranlaßt einen sehr vortheilhaften Schleichhandel. Das Volk ist sehr gutmüthig und zuthätig; das Klima ist den Europäern zuträglich. Der Bergbau im Innern ist wegen der durch die Hoch-Anden-Ketten unterbrochenen Communicationen vielen Schwierigkeiten unterworfen. Eine regelmäßige bequeme Poststraße durch die Platastaaten hin bis Buenos Ayres besteht, brachte aber wegen der Kriege mit Brasilien und der Blokade des Rio de la Plata in der letzten Zeit dem Lande nur geringe Vortheile.

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_230.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)