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Das Ausland. 1,2.1828

gelangte er bald zu großem Ansehen, und, nachdem er unsere Absicht, jene Stadt zu besuchen, vereitelt hatte, gedachte er sich nach Ladakh zu begeben, starb aber auf den Höhen der Karakorumgebirge an einer Indigestion. Sein Diener Mohammed Fuhur ist hier angekommen; er besitzt aber nur sehr wenig von dem Verstande des Aga Mehdie, und ist so sehr den Ausschweifungen ergeben, daß er beinahe die sämmtlichen seinem Herrn anvertrauten Summen verschwendet hat, und daher schwerlich jemals nach Rußland zurückkehren wird. Aga Mehdie war als Kaufmann verkleidet, aber aus den Thatsachen, von denen wir die vollste Gewißheit erhalten haben, und aus den kaiserlichen Sendschreiben an den Rajah von Ladakh und Maha Rajah Rindschiet Singh, die er mit sich führte, geht hervor, daß der Handel keineswegs sein einziges Geschäft war, und daß der Kaiser Alexander eine Invasion in China (?) im Auge hatte; wozu bei der Lage von Ladakh und Kaschimir die Freundschaft der Fürsten dieser Landschaften unentbehrlich war. Durch den Tod seines Gesandten hat der Kaiser große Geldsummen verloren, und alle seine Entwürfe sind vereitelt worden. – Unser so langer Aufenthalt in diesem Lande ist nicht ganz unnütz gewesen. Vor einigen Monaten hat Moorcroft von der Regierung die Erlaubniß für alle brittische Kaufleute erhalten, mit Ladakh Handel zu treiben, oder ihre Waaren nach andern Gegenden durchzuführen; und jetzt ist der (ostindischen) Compagnie die Unterwerfung des Landes freiwillig angetragen worden (?). In sofern hat daher der Erfolg alle unsere Erwartungen übertroffen. – Mier Izzut Ullah[1], ein sehr gewandter Mohammedaner von unserem Gefolge, ist nach Yarkund gegangen, um mit dem chinesischen Gouverneur für uns zu unterhandeln, und wir werden bald das Resultat erfahren. Auf diesem oder auf einem andern Wege werden wir in diesem Winter unsere Reise fortsetzen, und gegen das Ende des nächsten Jahres hoffe ich von Buchara zurückzukehren.

Auf die angeführten Briefe aus Leh folgt in der Sammlung, welche die Calcuttaer Zeitung mittheilt, ein zwei Jahre später vom 16 Juli 1823 von Kaschmir aus datirtes Schreiben: „Die Fortsetzung unserer Reise über Yarkund, heißt es in demselben, war dadurch verhindert worden, daß Kaschmirer Kaufleute den chinesischen Behörden vorstellten, wir hätten von Ladakh Besitz genommen, und unsere Absichten, um derentwillen wir Yarkund zu besuchen wünschten, wären politisch. Getäuscht in unserer Hoffnung, verließen wir Ladakh im Oktober, und kamen im verwichenen November in Kaschmir an, um durch Kabul zu gehen. Wir haben uns bereits neun Monate in Kaschmir aufgehalten, und denken in vier oder fünf Tagen nach Peschawer (am Flusse Kabul, einem Nebenflusse des oberen Indus) aufzubrechen.

Dieses Land ist das fruchtbarste und schönste in der Welt; das Clima ist herrlich, und die Einwohner desselben sind gewiß das klügste Volk in Asien. Die Natur hat es mit ihren reichsten Gaben gesegnet; aber die Unterdrückung, welche seine räuberischen Beherrscher seit den letzten 80 Jahren üben, hat es zu einem Schauplatze des Elends und der Noth gemacht, auf dem wir nur mit Schauder verweilen können.

  1. S. das Tagebuch dieses Mohammedaners in der „Hertha“ (6. Band S. 324 ff.)
(Schluß folgt.)


Russische Gesandtschaftsreise nach Bochara.


(Fortsetzung.)

Eine unbedeutend scheinende Veranlassung kann den Zorn der Kirgisen dergestallt reizen, daß sie nicht eher ruhen, als bis sie sich durch Feuer und Schwert Genugthuung verschafft haben. Als vor einigen Jahren die Bucharen den Kirgisen die verlangte Hülfe gegen die Kierier abschlugen, schnitt ein Kirgise seinem Pferd den Schweif ab, ging zu dem ersten Vezier in Bochara und sagte zu ihm: „Wie ich diesen Schweif von meinem Pferde trenne, so trenne ich mich von dir: ich werde in Zukunft euer erbittertster Feind seyn. So erklärte ein einzelner Kirgise der ganzen Bucharei den Krieg, den er sofort durch Hinwegnahme einiger Menschen und Kameele selbst eröffnete, und derselbe würde vielleicht im Fall einer bloß persönlichen Beleidigung, ohne vorherige Rücksprache mit der Autorität des Fürsten, das gleiche zu tun kein Bedenken getragen haben.

Eines Tages waren die Reisenden Augenzeugen von kirgisischer Rechtspflege. Sulta Harun-Gasi hatte einen Pferdedieb von der Horde, den Verordnungen des Korans gemäß, zum Tode verurtheilt, auf die Verwendung einiger alten Kirgisen aber, welchen die Begnadigung des Verbrechers im Augenblick ihrer Vereinigung mit den Russen von glücklicher Vorbedeutung schien, die Strafe gemildert.

In dem Auftritt, der jetzt erfolgte, trat nun ganz wieder die rauhe kirgisische Sitte in die Stelle des muselmännischen Rechts. Der Dieb wurde halb nackt ausgezogen, ihm ein Stück schwarzer Filz auf den Rücken gehängt, und er so von zwei zu Pferde sitzenden Männern mit Peitschen genöthigt, nach dem nächsten Zelte zu laufen. Nachdem man ihm hier das Gesicht mit Ruß geschwärzt hatte, mußte er den nemlichen Weg mitten durch den Haufen der Umstehenden zurück machen. Nun ließ man ihn einen Strick, der einem Pferd an den Schwanz gebunden war, zwischen die Zähne fassen, und hinter dem Pferd, das in Gallopp gesetzt wurde, herlaufen. Mehrere Personen schlugen indessen tüchtig mit der Peitsche auf ihn los, und das übrige Volk, das bloß zusah, lachte aus vollem Halse. Nach einer Hetze von einigen Minuten band man ihn los, worauf der sich bei dem Sultan für die gnädige Strafe bedankte, und nicht mehr zu stehlen versprach. Schlimmer ergieng es aber dem Pferde des Diebs: es erlitt das Schicksal, welches anfänglich seinem Herrn bestimmt war; man schnitt ihm die Gurgel ab, und in einem Augenblick war es zerstückelt und zertheilt. Man könnte vermuthen, den Kirgisen wäre noch aus ihrer heidnischen Vorzeit etwas vom Begriff des Sühnopfers als einer stellvertretenden Genugthuung geblieben, wenn nicht der profane Lärm, das Geschrei und das Geraufe unter welchem die Exekution vor sich gieng, wahrscheinlich machte, daß es ihnen in dem letzten Akte blos um die leckere Mahlzeit zu thun war,

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_246.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)