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Das Ausland. 1,2.1828

worauf sie, als auf die Gerichtssporteln, von Rechtswegen Anspruch hatten. –

Welch ein Unterschied als die Reisenden endlich das langweilige Flachland mit der gebirgigen Bucharei vertauschten! Ehe sie an den Djan-Deria gelangten, hatten sie so wenig eine bestimmte Straße vor sich, daß selbst ihre Führer sich kaum zu orientiren wußten, obgleich die Kirgisen nie eine Gegend vergessen, wo sie nur einmal in ihrem Leben gewesen sind.

Einige Male, besonders in den finstern Decembernächten, wenn sich die Karavane verspätet hatte, überließen sie sich geradezu der Leitung losgeschirrter Kameele oder Pferde. Denn da der Weg immer die Richtung nach den Orten nimmt, wo Wasser ist, so sind diese Thiere, die dasselbe auf eine große Entfernung wittern, sicherere Wegweiser als die Menschen, sofern zwar das Gedächtniß, nicht aber der Instinkt irren kann.

Bei Tag sind die überall zerstreuten Grabmäler, für welche die Sitte immer die höchsten Punkte auf den kleinen Sandhügeln wählt, gute Erkennungspunkte. In der Nähe des Sir-Deria werden diese Denkmale, an deren manche sich eine religiöse Verehrung anknüpft, so zahlreich und beträchtlich, daß sie ganzen Städten gleichen. Sie sind gewöhnlich aus einem mit zerhacktem Stroh vermischten Lehm gebaut, und die Trockenzeit des Himmelsstrichs macht sie sehr dauerhaft. Reiche Kirgisen lassen zuweilen die Baumeister aus Bochara kommen, und bedienen sich statt des Lehms der an der Sonne getrockneten Backsteine.

Diese Grabmäler sowohl als noch mehr die zum Theil sehr weitläuftigen Ruinen, auf die man in der Nähe der Flüsse stößt, erinnern an eine vor-kirgisische Zeit, in welcher das Land ungleich mehr bevölkert und bebaut war. Um sämmtliche Ruinen herum liegen Felder, die durch eine Menge mühsam gegrabener Kanäle bewässert werden konnten, und auf ein vormaliges Vorhandenseyn eines thätigeren und kunstreichern Geschlechts schließen lassen. Von den Kirgisen erhielt man keine näheren Aufschlüsse über diese ältern Steppenbewohner: sie wußten blos, daß es die Nogaïs gewesen seyen, ein Name, den die Baschkiren auch ihren Voreltern beilegen.

(Fortsetzung folgt.)


Maria Stuart in ihren letzten Stunden.


(Schluß.)

Der Zug setzte sich in Bewegung. Zuerst kam der Sheriff mit seinen Beamten; dann folgten Pawlet und Drury, die Grafen von Schrewsbury und Kent, endlich die schottische Königin selbst, mit Melville, der ihr die Schleppe trug. Sie hatte das reichste ihrer Kleider angelegt, wie es sich für den Rang einer Königin-Wittwe eignete. Ihr Haarschmuck bestand aus feiner, mit Spitzen gesäumter Leinwand und einem zurückgeworfenen, bis zum Boden reichenden Spitzenschleier. Sie trug einen Mantel von schwarzem Satin, mit schwarzem Taffet gefüttert und mit Zobel verbrämt, mit langer Schleppe und weiten, bis auf den Boden hängenden Aermeln. Die Knöpfe waren von schwarzem Steine, in der Form von Eicheln, mit Perlen besetzt: der Kragen nach italienischer Art. Ihr Unterkleid bestand aus schwarzfigurirtem Atlas, und unter demselben trug sie ein, hinten offenes, Leibchen (bodice) von carmosinrothem Atlas, mit hochrother Sammteinfassung. Eine Kette von wohlriechenden Perlen mit einem goldnen Kreuze hing an ihrem Halse, und ein Rosenkranz unter der Brust.

Ihr Gang war fest, ihr Aussehen heiter. Weder vor dem starren Blick der Zuschauer, noch vor dem Anblick des Schafotts, des Blocks und des Henkers schreckte sie zurück, sondern trat in den Saal mit derselben Anmuth und Majestät, welche sie so oft in ihren glücklichen Tagen in dem Palaste ihrer Väter gezeigt hatte. Als sie die Stufen des Schafotts hinanstieg, bot ihr Pawlet seinen Arm. „Ich dank Euch, Sir,“ sagte Maria; „es ist die letzte Mühe, die ich Euch mache, und der annehmlichste Dienst, den ihr mir je erwiesen habt.“

Die Königin setzte sich auf einen Stuhl, der für sie bereitet stand. Zu ihrer Rechten standen die beiden Grafen, zu ihrer Linken der Sheriff und Beal, der Rathsschreiber, vor ihr der Scharfrichter des Towers, in schwarzem Sammtkleide, mit seinen, ebenfalls schwarz gekleideten, Gehülfen.

Der Befehl ward verlesen, und Maria wandte sich mit lauter Stimme an die Versammlung. Sie wolle ihnen – sagte sie – ins Gedächtniß zurückrufen, daß sie eine souveräne Fürstin sey, nicht unterworfen dem Parlament von England, und nur der Ungerechtigkeit und Gewalt unterliegend. Indessen danke sie ihrem Gott, daß er ihr diese Gelegenheit gegeben, öffentlich ihre Religion zu bekennen und zu erklären, so wie sie es auch früher schon oft erklärt habe, daß sie den Tod der englischen Königin niemals in Gedanken gehabt, noch zugegeben oder darein eingestimmt, noch ihr überhaupt je das geringste Leid zuzufügen gesucht habe. Nach ihrem Tode würden manche Dinge, die jetzt in Finsterniß begraben lägen, zu Tage kommen. Sie verzeihe aber von Herzen allen ihren Feinden, und nichts solle über ihre Zunge kommen, was zu ihrem Nachtheil ausschlagen möchte. – Hier ward sie durch Dr. Fletcher, den Decan von Peterborough, unterbrochen, der, so wie ihr Blick auf ihn fiel, ihn festhielt, zu predigen begann, und unter dem Deckmantel, vielleicht auch von wirklichem religiösen Eifer getrieben, den Gefühlen der unglücklichen Leidenden Hohn sprach. Er sagte ihr, daß seine Gebieterin, wenn auch gezwungen, ihren Körper der Gerechtigkeit zu überliefern, doch um das Heil ihrer Seele besorgt sey, daher sie ihn gesendet habe, sie zu der treuen Heerde Christi zu bekehren, indem sie aus der Gemeinschaft jener Kirche trete, in welcher, falls sie darin verharren sollte, sie verdammt werden würde. Sie werde Gnade vor Gott finden, wenn sie ihre Bosheit bereuen, die Gerechtigkeit dieser Strafe anerkennen, und öffentlich ihren Dank für die viele Gunst, die sie von Elisabeth empfangen habe, aussprechen wolle. – Maria bat ihn wiederholt, sich selbst und sie nicht so zu plagen. Er fuhr fort; sie kehrte sich seitwärts. Er ging um das Schafott herum und sprach sie wieder von vorne an. Endlich machte Graf von Schrewsbury dieser auffallenden Scene ein Ende, indem er ihm befahl das Gebet zu verrichten. Sein Gebet war

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_247.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)